Am
Dreifaltigkeits-Tag kam der Krieg nach Varvarin. Während die Menschen in
dem serbischen Städtchen ihr Kirchfest feierten, donnerten Kampfjets heran.
Binnen Minuten feuerten sie zwei Mal auf eine Brücke am Ortsrand. „Vier Flugzeuge
griffen zwischen 1101 und 1106 Zulu Time an und verwendeten dabei
präzisionsgelenkte Waffen, die alle ihre vorgesehenen Ziele erfolgreich
trafen“, vermeldete die Nato. Die wahre Bilanz des 30. Mai 1999: zehn tote
und mehr als 30 verletzte Zivilisten. Nun findet ihr Fall seine Richter.
Das Landgericht Bonn verhandelt am heutigen Mittwoch über eine Zivilklage
serbischer Opfer und Opfer-Angehöriger. Ihre Forderung: Schadensersatz von
Deutschland. „Es könnte ein Verfahren für die Rechtsgeschichte werden“,
meint der Völkerrechtler Christoph Vedder.
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Der Prozess ist
juristisch so brisant, weil er in eine Umbruchphase des Völkerrechts fällt.
Traditionell berechtigt und verpflichtet es nur Staaten untereinander,
nicht aber deren Bürger. Doch nun ist alles im Fluss. „Das Völkerrecht geht
dazu über, einzelne Täter strafrechtlich zu verfolgen und Opfer individuell
zu schützen“, sagt Vedder. Im Strafrecht sind dabei das
Jugoslawien-Tribunal und der Weltstrafgerichtshof die Schrittmacher. Im
Zivilrecht könnte es das Landgericht Bonn werden. Gibt es den Klägern
Recht, müssen sich die neuerdings wieder kriegerischen Demokratien auf eine
Prozessflut einrichten. Auch zivile Opfer aus dem Irak oder Afghanistan
werden dann vor Gericht ziehen. Damit es soweit kommt, müssten die Kläger
in Bonn große rechtliche Hürden überwinden.
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Dabei geht es
weniger um die Frage, ob der Kosovo-Krieg insgesamt völkerrechtswidrig war.
Entscheidend ist der konkrete Angriff auf die Brücke von Varvarin. Laut der
Nato war sie ein „legitimes militärisches Ziel“. Die zivilen Opfer waren
demnach unvermeidliche „Kollateralschäden“. In der Klageschrift heißt es
dagegen: „Der gesamte Angriff war darauf ausgerichtet, Angst und Schrecken
unter der Zivilbevölkerung zu verbreiten.“ Die Brücke sei in keiner Weise
militärisch genutzt worden. Die Angreifer hätten daher gegen das
Völkerrecht zum Schutz von Zivilisten verstoßen, wie es in den Haager und
Genfer Konventionen festgesetzt ist. Als Folge hafte Deutschland den
Opfern.
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Die Bundesrepublik
bestreitet dies vehement. Sie pocht auf den traditionellen
völkerrechtlichen Standpunkt. Deutschland könnte demnach allenfalls von
Jugoslawien zu Reparationszahlungen gezwungen werden, nicht aber von dessen
Bürgern zu Schadensersatz. Zudem argumentiert Berlin: Selbst wenn der Angriff
auf die Brücke rechtswidrig war, ist er Deutschland nicht zuzurechnen, da
die Bombardements von anderen Nationen ausgeführt wurden. Die Kläger halten
entgegen, die Angriffsziele seien von den Nato-Staaten gemeinsam festgelegt
worden.
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Nach Informationen
der Süddeutschen Zeitung könnte das Gericht heute einen Kompromissvorschlag
machen. Das spräche dafür, dass es der Klage gewisse Aussichten einräumt.
Die Bundesregierung will sich aber keinesfalls auf einen Vergleich
einlassen. Ihr geht es darum, einen Präzedenzfall zu verhindern, der
künftige Kampfeinsätze auch finanziell zu einem enormen Risiko werden
ließe.
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