Sehr geehrter Herr Milenkovic, lieber Zoran, diese Zeilen schreibe ich mit der Bitte, sie den anderen Klägern und Klägerinnen zugänglich zu machen. Sie sind eine Einschätzung des bisherigen Prozessverlaufes. Natürlich werden wir Anwälte nach der Urteilsverkündung nach Varvarin kommen, um den weiteren Weg gemeinsam zu besprechen. Ich halte es dennoch für wichtig, dass die Varvariner über den Prozesstag, auch von uns, informiert werden: Die Verhandlung fand in einem der größten Verhandlungssäle des Landgerichts Bonn statt. Das ist für eine Zivilgerichtsverhandlung nicht üblich. Es hatten sich aber im Vorfelde so viele Pressevertreter angemeldet, dass das Gericht die ursprüngliche Planung aufgab und den größeren Saal anberaumte. Die Verhandlung zeichnete sich dadurch aus, dass der Vorsitzende Richter gleich zu Beginn mit sehr klaren Worten zu verstehen gab, dass er am erlittenen Leid der Kläger und Klägerinnen nicht zweifelt. Er sagte auch, dass das Gericht mit ihnen fühlt. Wie in jedem anderen Zivilgerichtsprozeß folgte dann der sogenannte Sachbericht. In diesem Bericht wird erklärt, wie das Gericht das tatsächliche Geschehen verstanden hat. Aus dem Bericht wird deutlich, ob die Richter zur Klärung des Sachverhalts noch eine Beweisaufnahme anstreben oder nicht. Aus dem Bericht wird oftmals auch die Tendenz des Gerichts deutlich. Wir sind sehr froh ihnen allen mitteilen zu können. dass das Landgericht Bonn unseren Vortrag des Angriffstages als Grundlage annimmt. Sie glauben uns mit dem, wie der Angriff verlaufen ist. Dass in Varvarin kein Militär stationiert, und die Brücke kein militärisches Ziel war. Der Vorsitzende Richter hat wohl auch daher bewusst vom Brücklein von Varvarin gesprochen. Mehrfach hat er betont, dass die mit der Klage eingereichten Bilder an Grausamkeit sich nicht überbieten lassen, so dass er auch am zugefügten Leid nicht zweifelt. Es wird also nicht zu einer Beweisaufnahme kommen. Es müssen keine Zeugen vernommen und keine Orte in Augenschein genommen werden. Das bedeutet, dass die Richter über die Rechtsfrage, ob Individuen einen Staat verklagen können, zu entscheiden haben. Der Richter machte deutlich, dass diese Frage völkerrechtliches Neuland ist, und dass sie bereit sind, sie sorgfältig zu überprüfen und ein gerechtes Urteil auszusprechen. Der Richter erklärte auch, dass die teilweise Rücknahme der hohen Schmerzensgeldforderungen dazu führt, dass diese jetzt realistisch sind. Das bedeutet, hätten wir die Anträge nicht zurückgeschraubt, dann hätten wir um die Differenzhöhe verloren. Anbei übersende ich eine Kopie der neuen Anträge. Nach
unserer Einschätzung ist das Gericht tendenziell auf unserer Seite. Mit dem
Urteil, das am 10. Dezember 2003
verkündet wird, wird es aber nicht zu Ende gehen. Denn ganz gleich wer
gewinnt, wird die andere Seite in Berufung gehen. Ich freue mich, Sie alle bald wieder begrüßen zu können. Mit
freundlichen Grüßen Pinar
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