Opfer eines Nato-Luftangriffs fordern Entschädigung
Dorf in Serbien verklagt Bundesrepublik
BONN. Die Bürger der 4000 Einwohner zählenden serbischen Kleinstadt Varvarin
machen die Bundesrepublik Deutschland dafür verantwortlich, dass bei zwei
Luftangriffen der Nato am 30.Mai 1999 zehn Einwohner getötet und 17 schwer
verletzt wurden.
Insgesamt 35 Verletzte oder Angehörige der bei dem Raketenangriff Getöteten
haben jetzt den deutschen Staat vor der 1.Zivilkammer des Bonner Landgerichts
unter anderem auf Geldentschädigungen in Höhe von 3,5 Millionen Euro
verklagt. Die Bundesrepublik haftet nach Auffassung der Kläger für die
Folgen des Luftangriffs, weil sie als Mitglied der Nato an den militärischen
Aktionen gegen Jugoslawien teilgenommen hat. Da sie den Angriff im Mai 1999
mit den anderen Mitgliedstaaten gemeinsam beschlossen und durchgeführt habe,
hafte sie gesamtschuldnerisch.
Die Millionenklage war zunächst an Heiligabend des Jahres 2001 beim
Landgericht in Berlin eingegangen. Da das Bundesverteidigungsministerium
jedoch seinen Sitz in Bonn hat, wurde das Verfahren am 17.Juli vom Bonner
Landgericht übernommen. Andere Mitgliedstaaten der Nato sind bislang nicht
verklagt worden. Es handelt sich um eine so genannte Musterklage gegen die
Bundesrepublik in Zusammenhang mit dem ersten Nato-Angriff, an dem Deutschland
beteiligt war.
In dem Prozess muss die 1. Zivilkammer zunächst auch das rechtliche Problem
klären, ob in diesem Fall Bürger selbst den Staat verklagen dürfen. Der
Bund wies bisher jegliche Ansprüche mit der Begründung zurück, dass
individuelle Ansprüche nicht berücksichtigt werden könnten. Klagen könne
in solchen Fällen nur der Staat. Varvarin, deren Brücke über den Fluss
Morava in zwei Angriffswellen durch Raketen zerstört wurde, liegt im
jugoslawischen Bundesstaat Serbien. Nachdem an jenem Sonntagmittag zunächst
drei Personen, darunter ein 15-jähriges Mädchen, getötet worden waren,
starben beim zweiten Angriff sieben Bürger, die den Opfern helfen wollten.
Es handelt sich übrigens um eine deutsche Brücke, die 1924 im Rahmen des
Reparationsausgleichs in Deutschland demontiert und in Varvarin neu aufgebaut
wurde.
18.09.2002
Kölnische Rundschau
Ursprüngliche URL: http://rundschau-online.de/politik/3040645.html