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Und der Minister starrt und stiert (Seite 1 von 3) 1999 zog die Bundesrepublik zum ersten Mal in den Krieg - unter Bruch des Grundgesetzes und des Völkerrechts. Arno Luik über eine ARD-Dokumentation, die zeigt: Die Regierung hat im Kosovokrieg ihre Bürger belogen Es gibt sie noch, die Sternstunden im deutschen Fernsehen - zum
Beispiel vergangenen Donnerstag. "Die Story" hieß der Film, und
es war eine ARD-Dokumentation über den Kosovokrieg: "Am Anfang war
die Lüge". (Seite 2 von 3) Dörfer wurden zerbombt, Häuser gesprengt - das ist unbestritten. Warum aber fühlte Scharping sich gezwungen zu lügen? Das ARD-Team war in jenem Dorf, sprach mit den Bewohnern, keiner hat erlebt, dass auf diese Weise Häuser zerstört wurden. Ein UCK-Kämpfer: "So gerieten unsere Häuser nicht in Brand." Rudolf Scharping wird von der ARD mit den Zweifeln konfrontiert: "Welche Zweifel sind das?" "Dass man im Keller den Gashahn aufdreht und auf dem Dachboden eine Kerze aufstellt. Das funktioniert nicht." "Ja?" "Ja, es funktioniert nicht, weder chemisch, physisch, überhaupt nicht. Das weiß jeder Oberbrandmeister. Das ist also eine Information, die Ihnen zugetragen worden ist, die nicht korrekt ist." "Dann würde ich Ihnen raten, diesen Test nochmals zu machen. Aber nicht mit einem Gashahn im Keller, sondern mit einer Flasche." "Beides funktioniert nicht." "Ja?" Der Minister starrt. Er sitzt da und stiert, indigniert. Die Gesetze der Physik? Propangas ist schwerer als Luft? Warum hat ihm das keiner erzählt? Eine andere Lüge: Am 27. April 1999 gibt Rudolf Scharping eine Pressekonferenz, und er hält bunte Aufnahmen in die Luft - überall Blut, Tote, Leichen. Das Massaker von Rugovo. "Ich muss mir große Mühe geben", sagt Scharping bei der Präsentation dieser Bilder, "dies in einem Ton zu schildern, der nicht gewissermaßen zur Explosion führt": Es sind schreckliche Bilder, und Scharping weiß, wie sie wirken, dass sie eine hohe emotionale Wucht haben. Sie erschüttern ja ihn, den Minister, zutiefst - sagt er. Er hält die Bilder hoch, weiß, dass diese Aufnahmen schon drei Monate alt sind, dass sie manipuliert sind, nicht zeigen, was sie zeigen sollen. Scharping, der Schauspieler. Ein OSZE-Mitarbeiter war am angeblichen Tatort: der deutsche Polizist Henning Hensch. Und in der ARD-Dokumentation widerspricht er seinem Minister, er habe ihn darauf hingewiesen, dass die Aufnahmen kein Massaker zeigen. Dass die vorgeblich hingerichteten Zivilisten im Gefecht gefallene UCK-Kämpfer sind. Er selbst habe die Toten von verschiedenen Tatorten zusammengetragen. Henning Hensch: "Die Leichen sind von mir und meinen beiden russischen Kollegen abgelegt worden." "Noch nie haben so wenige so viele so gründlich belogen wie im Zusammenhang mit dem Kosovokrieg", sagte der CDU-Abgeordnete Willy Wimmer, der auch lange Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE war, schon vor einem Jahr. Zwar heile, so Wimmer, die Zeit die Wunden: "Doch Gerhard Schröder, Joseph Fischer und Rudolf Scharping dürfen auf das Tröstliche dieses Satzes nicht hoffen. Der Krieg gegen Jugoslawien wird sie so oder so einholen." Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Knapp zwei Jahre nach dem Krieg herrscht immer noch ein merkwürdiger Unwille, sich mit ihm auseinander zu setzen, den Zweifeln, Fragen, Ungereimtheiten nachzugehen. Warum diese Zurückhaltung? Da sind offenkundig Minister, die gelogen haben, immer noch lügen - und keine Konsequenzen ziehen. Dafür aber Kritiker des Krieges abservieren. Zum Beispiel den General Heinz Loquai. Er hat verschiedene Tricksereien der Regierung aufgedeckt, nachgewiesen, dass etwa der "Hufeisenplan" (angeblicher Beweis, dass die Serben lange vor den Bombardierungen "die systematische Vertreibung" der Albaner geplant hätten) eine rein deutsche Erfindung war. Heinz Loquai zieht in der ARD-Dokumentation eine bittere Bilanz: "Man hat in der Vergangenheit der deutschen Generalität oft den Vorwurf gemacht, dass sie dort geschwiegen hat, wo sie etwas hätte sagen sollen. Ich wollte in dieser Sache etwas sagen und Manipulationen und Propaganda nicht als so etwas stehen lassen." Er wurde gefeuert - von der rot-grünen Regierung. Zum Schluss noch ein Satz (er ist ein paar Jahre alt) von Joschka Fischer: "Ich wünsche mir, dass unsere Partei die Kraft hat, dass dort genügend Pazifisten sitzen, um eine andere, friedensbezogenere Außenpolitik ohne Militär machen zu können." Arno Luik Ursprüngliche URL: http://www.stern.de/magazin/deutschland/2001/08/kommentar.html
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