Rechtsanwaltsbüro
Getzmann Schaller Pinar - Neuer Kamp 25 - 20359
Hamburg-St. Pauli |
Manfred Getzmann Joachim Schaller |
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Gül Pinar - Fachanwältin für Strafrecht -
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1 O 361/02
In dem Rechtsstreit
Milenkovic u.a.
gegen
Bundesrepublik Deutschland
danken wir für die gewährte
Fristverlängerung und nehmen auf die Klagerwiderung der Beklagten vom 19.
Dezember 2002 wie folgt Stellung:
1. Vorbemerkung
1.1
Die Klägerinnen und Kläger nehmen zur Kenntnis, daß die
Beklagte die Tatsache, daß die Brücke von Varvarin am 30. Mai 1999 von den
Truppen der NATO bombardiert worden ist, nicht bestreiten will. Gleiches gilt
für den in der Klagschrift geschilderten Ablauf der Bombardierung. Auch die
tödlichen Folgen sowie die verursachten Verletzungen werden nach Art und Umfang
nicht substantiiert bestritten.
Zum umfangreichen Vortrag über die Verletzung des
humanitären Völkerrechts – ein tragender Grund der Klage - kann oder will die Beklagte aus ihrer Sicht
„keine Auskunft“ geben.
Sofern vorgetragen wird, daß Brücken grundsätzlich
militärische Ziele i.S.v. Art. 52 Abs. 1 ZP I sein können, ist dies abstrakt
richtig.
Bezogen auf die im vorliegenden Fall allein in Rede stehende
Brücke von Varvarin trifft dies aber nicht zu. Gegenteiliges wird auch nicht
durch den Verweis auf eine Pressemitteilung der NATO bewiesen.
Ergänzend zum bisherigen Vortrag über die Beschaffenheit der
Brücke soll zu deren fehlender militärstrategischer Bedeutung noch bemerkt
werden: Die Brücke wurde während des Krieges für keinerlei Truppenbewegungen
genutzt. Schwere Kampftechnik (Panzer/Geschütze) hätte wegen der begrenzten
Traglast nicht über die Brücke geführt werden können.
Beweis: Ggf.
Sachverständigengutachten
Die strategische Hauptlinie für Militärfahrzeuge führte von
Serbien in den Kosovo über eine ausgebaute Autobahn an Varvarin vorbei, der Ort
liegt ca. 30 km abseits dieses Hauptweges. Nach dem Überqueren der Brücke
gelangt man in westlicher (Kosovo)Richtung in bergiges und infrastrukturell
schlecht ausgebautes Gebiet.
Beweis: Ggf.
Ortsbesichigung
1.2
Auf den Vortrag der Beklagten zum Kriegsgrund soll nur kurz
eingegangen werden.
Alle Prozeßbeteiligten wissen, daß es für das Bestehen der
klägerischen Ansprüche nicht um das ius ad bellum geht.
Die Behauptung einer „humanitären Krisenintervention“ kann
den Bruch des internationalen Rechts nicht rechtfertigen. Der Jugoslawienkrieg
1999 stellte einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Gewaltverbot der
UN-Charta. Dieser Krieg war nicht durch ein Mandat des Sicherheitsrates der
Vereinten Nationen legitimiert. Nach Buchstabe und Geist der UN-Charta handelte
es sich um einen Angriffskrieg. Ein solcher ist nach Art. 26 GG
verfassungswidrig. Bereits seine Vorbereitung wird durch § 80 StGB unter Strafe
gestellt.
In der völkerrechtlichen Ausgangssituation unterscheidet
sich der Jugolawien-Krieg in nichts von dem allein durch die USA und ihren
wenigen Verbündeten geführten
Irakkrieg. Hinsichtlich dessen völkerrechtlicher Bewertung vertritt die
Beklagte – die Bundesregierung – dieselbe Position, wie die Kläger dieses
Verfahrens für sich in Anspruch nehmen.
Folgendes muß sich die Beklagte fragen lassen: Warum läßt
sie die Zahlung von 200 Millionen Euro für Wiederaufbauhilfe vortragen,
verweigert aber die Hilfe beim Aufbau der Brücke von Varvarin? Deren Neubau
wurde durch Gelder von im Ausland lebenden Serben finanziert.
Warum beruft sie sich auf die Leistung von mehreren
Millionen Euro für humanitäre Hilfe, verweigert außergerichtlich jedoch
Hinterbliebenen und Schwergeschädigten im konkreten Fall jede Zahlung – selbst
ohne Anerkennung einer Rechtspflicht?
Diese Widersprüche und das Einführen des unsäglichen
Arguments, es sei „nur in 0,4 bis maximal 0,9 Prozent der Einsatzfälle zu
zivilen Opfern (gekommen)“, entwerten das eingangs der Klagerwiderung geäußerte
Bedauern gegenüber den Opfern.
Die Vorbemerkung abschließend ist es mir - der
Unterzeichnenden - wichtig zu betonen, daß es
in diesem Verfahren nicht um ein „Tribunal“, sondern um Einzelfallgerechtigkeit
geht. Wir stehen nicht am Anfang eines „Musterprozesses“, sondern eines
Zivilverfahrens, in welchem die rechtlichen und tatsächlichen Fragestellungen
sachlich zu beantworten sind.
2. Zulässigkeit der Klage
Die gegen die Zulässigkeit der Klage vorgebrachten
Einwendungen der Beklagten gehen fehl.
2.1
Die deutsche Gerichtsbarkeit ist gegeben. Hiergegen sprechen
weder der – in diesem Zusammenhang fehlzitierte – Grundsatz der
Staatenimmunität noch die Vorschriften zur gerichtlichen Zuständigkeit nach der
Zivilprozessordnung.
2.1.1.
Der Grundsatz der Staatenimmunität besagt, wie von der
Beklagten richtig wiedergegeben, daß kein Staat über ein anderes souveränes
Völkerrechtssubjekt zu Gericht sitzen darf.
Vorliegend gibt es jedoch für die Anwendung dieses
Grundsatzes keinen Raum. Das Landgericht Bonn wurde durch die Kläger nicht
angerufen, um über einen anderen als den deutschen Staat zu Gericht zu sitzen.
Die Klage ist in der Bundesrepublik Deutschland anhängig gemacht worden, weil
die Bundesregierung auf Schadensersatz verklagt wird. Dies wiederum, weil
deutsche Amtsträger einen Pflichtenverstoß begangen haben. Der Pflichtenverstoß
liegt darin, daß Amtsträger dem Angriff vom 30. Mai 1999 auf die Brücke von
Varvarin – im Rahmen der Entscheidungsgremien der NATO - zugestimmt haben.
Klaggegenstand ist der Ersatz des Schadens, der erst durch ein deutsches Verschulden
eintreten konnte.
Im übrigen ist schon aus Erwägungen des Völkerrechts das
Bestehen der deutschen Gerichtsbarkeit gegeben. Die Frage, wie ein
Haftungsprozeß auszusehen hat, ist zwar im Zusammenhang mit schädigenden
Kriegseinsätzen der NATO bislang weder gerichtlich entschieden worden noch
findet sich in der juristischen Literatur hierzu etwas Ergiebiges. Analogien
können jedoch dem Haftungsrecht der Europäischen Gemeinschaften entnommen
werden: Der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch ist vor den
Gerichten des jeweiligen Mitgliedstaates geltend zu machen.
Dabei haben die nationalen Gerichte sogar die
ausschließliche Zuständigkeit zur Sachverhaltsfeststellung und dessen
Bewertung.
Vgl.
Danwitz DVBl. 1991,1,9.
Es steht außer Frage, daß diese Verfahrensweise im
Gemeinschaftsrecht nicht in ihrer Gesamtheit auf die Haftung der NATO
übertragen werden kann. Es entspricht jedoch der gängigen juristischen Praxis,
dass für die Entwicklung und Herleitung noch nicht feststehender
Rechtsinstitute auf ähnlich gelagerte Sachverhalte zurückgegriffen werden kann.
2.1.2.
Die sachliche Zuständigkeit ist gem. § 71 Abs. 3 GVG
gegeben. Örtlich ist das Landgericht Bonn gem. § 18 ZPO zuständig.
Die Beklagte wird in dieser Sache durch das
Bundesministerium für Verteidigung vertreten und dieses hat seinen Hauptsitz in
Bonn.
2.2. Grundsatz der Anspruchsparallelität
Die Klägerinnen und Kläger können nach dem Grundsatz der
Anspruchsparallelität Individualansprüche gegen die Beklagte geltend machen,
ohne sich auf ein durch die Republik Jugoslawien auszuübendes diplomatisches
Schutzrecht verweisen lassen zu müssen.
Hierzu ist in der Klagschrift umfänglich vorgetragen worden.
Die Beklagte missachtet den Grundsatz der
Anspruchsparallelität, den das Bundesverfassungsgericht – auf Vorlage des
erkennenden Gerichts in einem anderen Verfahren – aus der Entwicklung des
modernen Völkerrechts ableitet und ausführlich begründet.
Die Beklagte unterscheidet in ihren Ausführungen nicht
zwischen allgemeinen Reparationsansprüchen, die jeweils Staaten gegeneinander
geltend machen können und Schadensersatzansprüchen von Bürgern gegen Staaten.
Sie übersieht, daß es sich um zwei unterschiedliche Ansprüche handelt: Einen,
der sich aus der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit zwischen den in
kriegerischen Auseinandersetzungen beteiligten Staaten ergibt, und einen
weiteren, der aus dem nationalen Deliktsrecht als Schadensersatzanspruch des
geschädigten Einzelnen entsteht und für den die Verletzung des Völkerrechts die
Begründung für die Rechtswidrigkeit liefert. Sie übersieht, daß die Art.
3 der IV Haager Konvention und 91 des Zusatzprotokolls I parallel zwei Anspruchsgrundlagen
eröffnen.
Die Hinweis der Beklagten auf die fehlende
Völkerrechtssubjektivität von Einzelpersonen und den Grundsatz der
Mediatisierung, der von der Beklagten verabsolutiert wird, beruht auf einer
irrigen Auslegung der genannten Artikel.
Er ignoriert, daß nach dem Zweiten Weltkrieg die
Geltungskraft der Menschenrechte im internationalen Recht verstärkt worden sind
und das Völkerrecht sich weiterentwickelt hat: weg vom alten Grundsatz des
staatlichen Monopols für die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche im
internationalen Recht hin zu Anerkennung individueller Ansprüche.
Vgl. B. Graefrath, Schadenersatzansprüche wegen Verletzung humanitären
Völkerrechts, in: Humanitäres
Völkerrecht, Bd. 14, 2001, S. 110; Beschluß des BVerfG v. 13. 5. 1996,
NJW 1996,2717, 2719.
Die neuen Anforderungen an das Völkerrecht sind dabei nur zu
offensichtlich: Es werden Kriege geführt, die mit dem geltendenden Völkerrecht
nicht vereinbar sind. So beispielsweise auch der Irak-Krieg 2003. Wie sollen
die hierbei entstandenen sogenannten „Kollateralschäden“ repariert werden?
Welcher Staat wäre in der Lage, nach einem völkerrechtlich verbotenen Krieg,
den er aus dem Kräftevergleich nicht hat verhindern können, Ansprüche seiner
Bürger durchzusetzen?
2.3.
Grundsätzlich besteht
keine Exklusivität der Staatenpraxis auf Mediatisierung von
Ersatzansprüchen.
„Soweit Friedensverträge Individualforderungen ausschließen,
regeln sie die Ansprüche der Staatsangehörigen ausdrücklich neben den Forderungen
der Staaten.“
Daß der Einzelne nicht mehr nur bloßes Objekt des
Völkerrechts ist, das nur über das Medium seines Staates mit dem internationalen
Recht verbunden ist, sondern auch selbst Träger von Rechten und Pflichten sein
kann, hat auch das OVG Münster
vgl. OVG
Münster, Urt. v. 19.11.1997, NJW 1998,2302,2304
festgestellt. Dies soll insbesondere auch für die
Rechtsposition von Einzelpersonen in einem bewaffneten Konflikt gelten, der
durch das völkerrechtliche Kriegsrecht geregelt ist.
Zur von der Beklagten behaupteten
Exklusivität einer Mediatisierung des Ausgleichs von Kriegsschäden war bereits
in der Klage darauf verwiesen worden, daß das humanitäre Völkerrecht – neben
Reparationsleistungen von Staat zu Staat – individuelle Ansprüche nicht
ausschließt:
Bereits nach dem 1. Weltkrieg sind Schadensersatzansprüche
US-amerikanischer Bürger wegen Verletzung des Kriegsrechts neben und unabhängig
von den allge-
meinen Reparationsansprüchen gegenüber Deutschland erhoben
und durch Entscheidungen der amerikanisch-deutschen Mixed Claims Commission
entschieden worden.
Vgl. Graefrath,
Schadenersatzansprüche wegen Verletzung humanitären Völkerrechts, in: Humanitäres Völkerrecht, Bd.14, 2001,
110.
Beispiele aus neuerer Zeit finden sich u.a. in den
Friedensverträgen von 1947. So z.B. im Friedensvertrag der Alliierten mit
Italien vom 10. 2. 1947 Artikel 76 Abs.1:
"Italien verzichtet gegenüber den Alliierten und
Assoziierten Mächten auf alle Forderungen und Ansprüche der italienischen Regierung
oder italienischer Staatsangehöriger, die unmittelbar durch den Krieg
entstanden sind..."
und Artikel 80:
"Die Alliierten und Assoziierten Mächte erklären, daß
die ihnen nach den Artikeln 74 und 79 des vorliegenden Vertrages zugestandenen
Rechte alle ihre Forderungen und diejenigen ihrer Staatsangehörigen
einschließen, die sich aus Verlusten oder Schäden ergeben, die infolge von
Kriegshandlungen entstanden sind.".
Auch die von der Beklagten gegebenen Beispiele für die
Geltendmachung von Ansprüchen geschädigter Bürger durch ihren Staat gegen den
Schädigerstaat erlauben keine Berufung auf eine exklusive Staatenpraxis. Die
Hilfestellung des Heimatstaates bei der Anspruchsdurchsetzung zu nutzen, schließt
es nicht aus, daß die geschädigte Person bei den Gerichten des Schädigerstaates
ihre Schäden individuell einklagt.
Ein Beispiel mag dies erläutern:
Die Beklagte beruft sich darauf (S. 13f ihres
Schriftsatzes), daß Hinterbliebene der durch einen NATO-Angriff getöteten
chinesischen Bürger in der Belgrader Botschaft durch die Volksrepublik China
Ansprüche gegenüber den USA geltend gemacht und durchgesetzt hätten. Das ist
richtig. Dadurch wurde eine rasche Regulierung erreicht und ein umständlicher,
kostenaufwendiger und für die – sicherlich nicht finanzkräftigen – chinesischen
Staatsangehörigen beschwerlich zu organisierender Zivilprozeß in den USA
vermieden.
Will die Beklagte aber ernstlich bestreiten, daß ein solches
Verfahren vor einem Gericht in den Vereinigten Staaten zulässig gewesen wäre
und zu einem Prozeßerfolg geführt hätte?
Ein weiteres Beispiel mag dies erläutern. Im August 1998 kam
es zu einem US-amerikanischen Raketenangriff auf die Arzneimittelfabrik Al
Shifa in Khartoum/Sudan. Hintergrund waren die Vergeltung von Attentaten auf
zwei Botschaften der USA in Afrika und die Behauptung, in der Fabrik würden
Komponenten für chemische Waffen hergestellt. Der private Eigentümer der
Fabrik, Salah Idris – ein finanzkräftiger Multimillionär – beauftragte ein
Anwaltsbüro in Washington mit der Erhebung einer Schadensersatzklage wegen der
Zerstörung seines Eigentums ohne Mithilfe der sudanesischen Regierung.
Vgl. Sally B. Donnelly and Adam Zagorin: Being the
U.S. Means Hardly Ever Saying Sorry, Time Magazine v. 16.August 1999, Anlage
1.
Das diplomatische
Schutzrecht in Anspruch zu nehmen, hat für den Einzelnen den Vorteil, daß er
die u.U. schwierige und teure Rechtsfeststellung und Durchsetzung nicht selbst
betreiben muß. Es hat den Nachteil, daß die geschädigte Person in aller Regel
keinen Anspruch auf das diplomatische Schutzrecht hat.
Für den schwächeren Staat ist es kaum möglich, Ansprüche
seiner Staatsangehörigen gegenüber einem stärkeren Staat geltend zu machen,
geschweige denn diesedurchzusetzen. Infolgedessen sind selten Ansprüche aus
Verletzung von Kriegsrecht von Staatsangehörigen eines besiegten Staates
gegenüber dem Sieger geltend gemacht worden. Das heißt jedoch nicht, daß sie
nicht bestanden.
Vgl. Wolfram in
Dieter Fleck (Hg.), Handbuch des humanitären Völkerrechts in bewaffneten
Konflikten, München 1994.
Auch mit der Befürchtung, es würde zu einem „Wettlauf der
Antragsteller“, gar zu diplomatischen Verwicklungen oder einer Überforderung
der Zivilgerichte kommen, kann die Beklagte nicht durchdringen.
Solche Erwägungen sind (macht)politischer Art und berühren
die Position der Kläger hinsichtlich der Gestaltungsmöglichkeiten des
internationalen Rechts in ihrer Sache nicht.
Von einer „Klagewelle“
kann beispielsweise nach dem Jugoslawienkrieg 1999 nicht die Rede sein. Obwohl
es nach dem Vortrag auf Seite 24 der Anlage 2 der Beklagten ungefähr 495
getötete Zivilisten gab (für die Beklagte eine geringe „Quote“, aber immerhin Menschen, die real gelebt haben), wurden
von weniger als drei Prozent der Angehörigen Klagen erhoben.
Auch ist die Anerkennung einer Aktivlegitimation des durch
völkerrechtswidrige Kriegsereignisse geschädigten Individuums ohne weiteres
praktisch zu handhaben:
Nach dem Krieg Irak ./. Kuweit 1991 bestanden
hunderttausende von Ersatzansprüchen. Unter der Moderation der UNO wurde dann
ein spezielles System („Kompensationskommission“) zur Feststellung und
Sicherung dieser Individualansprüche geschaffen. Der Heimatstaat der dortigen
Anspruchsteller diente dabei nur als Administrator. Er bestätigte
anspruchsbegründende Angaben, sammelte die Klagen und übermittelte sie der
multistaatlichen Kompensationskommission. Diese konnte die Vielzahl der Klage
zum größten Teil zeitnah und kostenökonomisch entscheiden und aus beschlagnahmten
irakischem Vermögen befriedigen. Es blieb den Klägern aber freigestellt, ob sie
diesen an ein Gerichtsverfahren angelehnten Weg gehen wollten oder Klage vor
nationalen Gerichten erheben wollten.
2.4.
Nicht zu folgen ist der Beklagten auch mit ihrer Behauptung,
der gerichtliche Menschenrechtsschutz stelle einen der wenigen Ausnahmefälle
für die Anerkennung der Völkerrechtsubjektivität von Individualpersonen dar.
Keine längere Ausführungen beabsichtigend, sei noch kurz auf
zwei andere Entwicklungen hingewiesen:
Mit dem Inkrafttreten des Statuts des Ständigen
Internationalen Strafgerichtshofs zum 1.7.2002, schuf die Staatengemeinschaft
für den Bereich des Völkerstrafrechts – sofern die Voraussetzungen der Art. 5,
25 des Statuts des ICC vorliegen – die ständige Möglichkeit in einem
justizförmigen Verfahren Individuen anzuklagen und gegebenenfalls zu
verurteilen. Dies ergänzt auf der „Täterseite“ Sanktionsmöglichkeiten gegenüber
dem Staat, wie sie sich aus Kapitel 7 der UN-Charta ergeben, und zeigt die
Tendenz zur weiteren Individualisierung internationalen Rechts neben dem
gerichtsförmigen Menschenrechtsschutz auf.
Vgl. Carsten Stahn, Internationaler
Menscherrechtsschutz- und Völkerstrafrecht, KJ 1999, 343ff.
Gemeint ist die Tendenz, daß das traditionelle
zwischenstaatliche Völkerrecht in seiner Reichweite und Geltung auf
substaatliche Akteure und Sachverhalte jenseits der Ebene der Staaten
ausgedehnt wird. Auf der praktischen Ebene gibt es eine Gruppe von Staaten – zu
denen die Beklagte nicht gehört - , die das programmatische Konzept
„menschliche Sicherheit“ vertreten. Es stellt nicht Staaten und Ordnungen, sondern
Individuen in den Mittelpunkt. Deren aktuelle oder langfristig angelegte Bedrohung
– wie der Schutz von Zivilisten – soll verringert werden. Zu Ergebnissen dieser
Entwicklung – zu der auch Nichtregierungsorganisationen beitragen - , gehört
neben der Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofs z.B. das Abkommen
über das Verbot von Antipersonenminen von 1997.
2.5.
Die von der Beklagten angeführten Urteile deutscher Gerichte
– soweit diese überhaupt in Rechtskraft erwachsen sind – können hier nicht
herangezogen werden.
Zu den Gründen der Klagabweisung gehören in den genannten
aber nicht einschlägigen Urteilen das Vorliegen einer abschließenden
friedensvertraglichen Regelung oder spezialgesetzliche Vorschriften über die
Entschädigung von Kriegsfolgen, die die dortigen Kläger nicht erfüllen.
Bekanntlich existieren im vorliegenden Fall keine Friedensabkommen oder gesetzlichen
Regelungen.
Ferner bezieht sich der dortige Sachverhalt auf Ansprüche
aus den Jahren 1939 bis 1945, während hier über aktuelle Ansprüche zu
entscheiden ist. Die Beklagte soll dort als Rechtsnachfolgerin des Deutschen
Reichs in Anspruch genommen werden, während sie hier unmittelbar als Subjekt
gehandelt hat. In den bisherigen Urteilen handelt es sich um Kriegshandlungen
eines Unrechtsregimes, während hier ein demokratischer Rechtsstaat auf der Beklagtenseite
steht.
Schließlich hat die Entwicklung vom klassischen zum modernen
Völkerrecht – besonders hinsichtlich der Stärkung der Menschenrechte und deren
Schutz – erst nach 1945 bedeutende Entwicklungen vollzogen.
Vgl. Paech/Stuby, Völkerrecht und Machtpolitik in den
internationalen Beziehungen, Hamburg 2001, S. 644ff.
Auch die von der Beklagten teilweise als Anlagen
eingereichten internationalen Urteile führen zu keinem anderen Ergebnis.
Die Gemeinsamkeit der vorliegenden Klage mit den von der
Beklagten eingeführten Urteilen ist die Dokumentierung der mittlerweile
eingetretenen Justizpraxis. Deutlich wird, daß weltweit mehrere Gerichte mit
der Fragestellung, wie Entschädigungsansprüche von natürlichen Personen aus
Kriegsschäden zu befriedigen sind, befasst wurden.
Diese Urteile haben keine Bindungswirkung. Eine
differenzierte Betrachtung belegt auch, daß die tragenden Gründe mit dem
vorliegenden Fall nicht vergleichbar sind.
Das in der Erwiderung zitierte kanadische Urteil weist die
Klage ab, weil nach kanadischem Recht eine zivilrechtliche Haftung für
politische Akte der Regierung ausgeschlossen wird. Es ist deshalb für den
vorliegend Fall nicht relevant. Ferner war keiner der dortigen Kläger unmittelbar
durch Kriegshandlung geschädigt oder Erbe einer getöteten Person.
Auch das Tokioter Urteil befasst sich nicht mit einer
zivilrechtlichen Klage wegen der Verletzung von Menschenrechten, sondern
ausschließlich mit der Möglichkeit einer individuellen Geltendmachung
völkerrechtlicher Ansprüche aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges. Hierbei
bleibt noch anzumerken, daß das Urteil weder autorisiert übersetzt, noch
rechtskräftig ist.
Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte im Fall Bankovic betrifft den vorliegenden Fall deshalb nicht,
weil die Kläger im vorliegenden Fall ihre Ansprüche nicht auf eine Verletzung
der EMRK, sondern auf Verletzung der im deutschen Recht verankerten
Menschenrechte und Staatshaftungsansprüche stützen. Im dortigen Verfahren
erfolgte die Abweisung, weil die Kläger nicht – wie Art. 1 EMRK fordert – der
Herrschaftsgewalt der beklagten Staaten zum Zeitpunkt der Angriffe unterlagen.
Dieses Rechtsproblem tritt im vorliegenden Fall nicht auf.
Der Amsterdamer Gerichtshof – die Entscheidung ist unübersetzt
geblieben – hatte nach Kriegsbeginn über die Berechtigung der niederländischen
Regierung zur Teilnahme am NATO-Krieg zu entscheiden. Die Klagbefugnis wurde
nicht bestritten, aber trotz Feststellung der Verletzung der UN-Charta, wurde
die staatliche Entscheidung unter dem Gesichtspunkt einer „humanitären
Intervention“ für gerechtfertigt erachtet. Um diese Klagkonstellation der Legitimität
zum Kriegsbeitritt geht es hier nicht.
3. Begründetheit
3.1.
Für die Anwendbarkeit des deutschen Rechts ist entgegen der
Auffassung der Beklagten – das Vorliegen eine Amtshaftungsanspruchs zwar
gegeben, nicht aber erforderlich. Denn die Kläger sind auch nach dem
allgemeinen Deliktsrecht zu entschädigen.
Die Tatsache, dass die Bomben auf serbischen Boden gefallen
sind, schließt eine Haftung der Beklagten nach §§ 823 ff BGB nicht aus. Zwar
fanden die Angriffe und die daraus resultierenden Verletzungen auf
serbischen Boden statt, jedoch liegt
dort nur der Erfolgsort. Maßgebend ist die Entscheidung der deutschen Regierung
zur Teilnahme an kriegerischen Handlungen der NATO. Ein wirksamer Beschluss der
NATO wäre ohne die Zustimmung aller Mitgliedstaaten nicht zustande gekommen.
Diese Entscheidung und somit auch der Handlungsort lag im Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland.
Für den Fall der Bezugnahme auf die Beschlüsse des
NATO-Rates ist auf die Zustimmung deutscher Vertreter abzustellen. Bereits der
militärischer Sprecher der NATO im Kosovo-Konflikt, Generalleutnant Walter
Jertz, hat dazu ausgeführt, dass sämtliche militärische Vorstellungen und Ziele
mit den einzelnen Nationen abgestimmt werden mussten und dass bei fehlendem
Einverständnis einer Nation das Ziel von der Liste gestrichen werden musste.
Gem. Art. 40 Abs. 1 S.1 EGBGB unterliegen Ansprüche aus
unerlaubter Handlung dem Recht des Staates, in dem der Ersatzpflichtige
gehandelt hat. Für diese Tatortregel ist entscheidend, in welchem Staat der
haftungsbegründende Tatbestand verwirklicht wurde.
Vgl. Palandt/Heldrich,
61. Auf., Art. 40 EGBGB RN 3.
Liegen Handlungsort und Erfolgsort in verschiedenen Staaten,
so entscheidet primär das Recht des Handlungsortes, an welchem die für den
Eintritt der Rechtsgutsverletzung maßgebliche Folge gesetzt wurde.
Vgl. Palandt/Heldrich
aaO..
Für den Fall, dass die Beklagte behauptet, die zustimmenden
Beschlüsse seien nicht auf deutschem Boden erfolgt, so müsste sie dafür den
Beweis antreten. Allein für diesen Fall, weil dann sowohl der Handlungs- wie
auch der Erfolgsort im Ausland gelegen hätten, wäre ausschließlich auf das
Staatshaftungsrecht zurückzugreifen.
Zu den Tatbestandsvoraussetzungen einer Haftung der
Beklagten nach den §§ 823 ff BGB wird auf die ausführlichen Erörterungen der
Klagschrift Bezug genommen.
3.2.
Das deutsche Staatshaftungsrecht ist vorliegend anwendbar.
Zwar wurde das Staatshaftungsrecht in Kriegsfällen in der
bisherigen Rechtsprechung und in dem überwiegenden Teil der Literatur als
ausgeschlossen betrachtet. Dieser Betrachtungsweise lag – wie auch die Beklagte
auf Seite 25 der Klagerwiderung ausführt - zugrunde, daß kriegerische
Auseinandersetzungen den geordneten Staatsgang außer Kraft setzten.
Davon kann hier keine Rede sein. Zum Zeitpunkt der in Rede
stehenden NATO-Angriffe bestand – bezogen auf die innerstaatliche Situation des
jeweiligen NATO-Mitgliedstaates – kein solcher Ausnahmezustand.
Die kriegsführenden
Staaten hatten während der Angriffe auf Jugoslawien voll funktionierende
Staatswesen. Daher verbietet sich insoweit die Heranziehung der Entscheidung
des OVG Münster vom 19.11.1997.
Vgl. OVG
Münster, Urt. v. 19.11.1997, NJW 1998,2302,2305.
„Ein Anspruch auf Vergütung der
geleisteten Zwangsarbeit besteht nicht nach § 839 BGB i.V.m. Art 34 GG. Der
Gewahrsamsstaat hat für die Verletzung des Art. 27 III GKGA allein nach
völkerrechtlichen Regeln einzustehen. Daneben besteht kein Anspruch des
Geschädigten nach innerstaatlichem Recht. Im Kriegsfalle tritt insoweit an die
Stelle des Individualschutzes durch die jeweilige staatliche Rechtsordnung das
Völkerrecht und dessen Instrumentarien zur Sicherung seiner Beachtung.“
Im Unterschied zum Sachverhalt,
den das OVG Münster zu entscheiden hatte, sind die innerstaatlichen Funktionen
der NATO-Mitgliedstaaten im Jugoslawien-Krieg 1999 geführten Angriffen nicht
beeinträchtigt.
Völkerrechtlich gibt es ferner für
die während des Jugoslawienkrieges entstandenen Schäden keine
Sonderregulierungsvorschriften, die mit dem Bundesentschädigungsgesetz vergleichbar
wären.
Die Entscheidung des OLG Köln
vgl. OLG
Köln, Urt. v. 27.08.1998, OLGR Köln 1999, 5ff
ist nicht dahingehend zu verstehen
ist, daß individualrechtliche Ansprüche per se ausgeschlossen sind. Vielmehr
weist die Entschädigung daraufhin, daß gerade individualrechtliche Ansprüche in
Form des Bundesentschädigungsgesetzes manifestiert werden. Mit der
Kodifizierung des Bundesentschädigungsgesetzes ist eine abschließende Regelung
hinsichtlich der Haftung für Verfolgungsschäden aus der NS-Zeit getroffen
worden. Da eine vergleichbare innerstaatliche Regelung bezüglich der
Entschädigung von Kriegsopfern im Jugoslawien-Krieg nicht besteht, leben
amtshaftungsrechtliche Ansprüche auf.
Der Schadensersatzanspruch aus dem Staatshaftungsrecht gem.
§ 839 Abs.1 S.1 BGB i.V.m. Art. 34 GG ist gegeben.
Dieser Grundsatz gilt auch im Völkerrecht. Er findet
insbesondere gegenüber Zivilpersonen Anwendung, die überhaupt nicht in der Lage
sind herauszufinden oder zu beweisen, welcher NATO-Staat für die Verursachung
der Schäden verantwortlich ist.
Vgl. BGH,
Urt. v. 27.05.1993, NJW 1993, 2173.
3.4.
Diesseits wird nicht bestritten, dass die Beklagte (deren Truppen)
anscheinend die Bomben auf Jugoslawien nicht selbst abgeworfen hat (haben).
Die Behauptung der Beklagten, deutsche Flugzeuge seien im Jugoslawien-Krieg
nicht im Einsatz gewesen wird der Klarstellung halber bestritten.
Der Einsatzgeschwader 1 der Deutschen Luftwaffe, das seit Juli1995 auf
dem italienischen Stützpunkt SanDamiano bei Piacenza stationiert war, hatte 14
Tornados im Einsatz.
Jedenfalls in der Zeit vom 24. März 1999 bis zum 31. März 1999 flogen
deutsche Flugzeuge fast jede Nacht Einsätze in Jugoslawien.
Vgl. Stern vom 31.03.1999, Anlage 3.
Die Kläger können nicht vortragen, wann diese Einsätze aufhörten. Sie
wissen aber, dass deutsche Flugzeuge eingesetzt waren für Aufklärungen und für
das Tanken von weiteren Flugzeugen. Die Maschinen der deutschen Luftwaffe waren
arbeitsteilig an der Luftkriegsführung der NATO beteiligt.
Vgl. Stern aaO.
Der Beitrag der Beklagten kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass der
konkrete Erfolg entfiele.
Vorgehendes nur zur Verdeutlichung, da es mangels zugänglicher
Information eine vollständige Sachverhalsaufklärung jedenfalls für die Kläger
nahezu unmöglich ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist nämlich für das
Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen unerheblich, ob deutsche Flugzeuge die
Bombenangriffe während des Jugoslawienkrieges selbst durchgeführt haben.
Der Grundsatz der gesamtschuldnerischen Haftung gilt auch im
Völkerrecht.
Auch hier wird auf die Ausführungen der Klagschrift Bezug genommen,
worin festgehalten wurde, dass auf den gesamtschuldnerischen Haftungsgrundsatz
in der Völkerrechtskommission der UNO bei der Diskussion des 3. Berichts von
James Crawford ausdrücklich verwiesen wurde.
Die Völkerrechtskommission der UNO benennt die Regel, dass jeder Staat
für sich, für das ihm zurechenbaren Verhalten verantwortlich ist und dass seine
Verantwortlichkeit nicht durch die Tatsache gemindert wird, dass ein anderer
Staat (oder Staaten) ebenfalls für dieses Verhalten verantwortlich sind.
Vgl. A/CN.4/507/Add.2, v. 10 July 2000, p. 20 f.
(27); vgl. auch den Bericht der ILC A/55/10, p. 77, 84, 136 (neuer Art. 48).
Auch der Hinweis in der Klagschrift auf den Grundsatz der
gesamtschuldnerischen Haftung im Truppenstatut der NATO bei Drittschäden soll
hier noch einmal aufgegriffen werden. Der Haftungsgrundsatz des Truppenstatuts
zeigt nämlich auf, dass der NATO die gesamtschuldnerische Haftung nicht fremd
ist.
Dazu sollte festgehalten werden, dass der Truppenstatut
lediglich als Beispiel zitiert worden ist. Dies ergibt sich bereits daraus,
dass der Statut nur zwischen den beteiligten Staaten gilt.
Wenn die Beklagte ausführt (S.21) , dass „grundsätzlich nur
die beteiligten Nationen, nicht aber die anderen NATO-Vertragsparteien für die
verursachten Schäden haften,“ so lässt sich dem zum einen entgegen halten, dass
das NATO-Truppenstatut für den vorliegenden Fall nicht direkt anwendbar ist.
Zum anderen, und noch viel wesentlicher ist auch die
Tatsache, dass die Bundesrepublik als Verursacher eben nicht ausscheidet, da
sie nicht nur mit 14 Tornados an den Luftangriffe beteiligt war, sondern auch
an der Planung, Beschlußfassung und Durchführung der NATO-Militäraktion gegen Jugoslawien voll verantwortlich teilgenommen
hat.
3.5.
Es existiert keine spezielle Haftungsregelung der NATO für
den Fall der Verletzung von Regeln, die in bewaffneten Konflikten gelten. Daher
gelten die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts hinsichtlich der
völkerrechtlichen Verantwortlichkeit und Haftung internationaler
Organisationen.
Jede Verletzung einer Völkerrechtsregel stellt ein
völkerrechtliches Unrecht dar. Der souveräne Staat ist das Normalsubjekt des
Völkerrechts. Dennoch kann auch eine internationale Organisation Subjekt und
Objekt völkerrechtlichen Unrechts sein.
Weder das Völkervertrags- noch das Völkergewohnheitsrecht
sehen Regeln vor, die an der Verleihung von Rechtssubjektivität an die
internationale Organisation die Rechtsfolge knüpfen, daß eine Haftung der
Mitgliedstaaten nunmehr ausgeschlossen ist oder besteht.
Vgl.
Ipsen, 4. Aufl., München 1999, § 31 RN
40.
Einen allgemeinen Grundsatz der haftungsrechtlichen Trennung
von Internationaler Organisation und Mitgliedstaaten gibt es im Völkerrecht
nicht.
Vgl.
Ipsen, 4. Aufl., München 1999, § 31 RN
40.
„Da die im Schrifttum vertretenen Auffassungen von der
parallelen Haftung von Mitgliedstaaten und Organisation und der subsidiären
Haftung der Mitgliedstaaten über die Einzelfallbetrachtung bis zum völligen
Haftungsausschluß der Mitgliedstaaten reicht,“
vgl.
Ipsen, 4. Aufl., München 1999, § 31 RN
40,
ist vorliegend eine Einzelfallbetrachtung notwendig.
Bereits die Völkerrechtssubjektivität der NATO ist derart
eingeschränkt, daß die Verträge über das Statut der NATO-Truppen (in
Friedenszeiten) nicht zwischen der NATO und dem Aufenthaltsstaat abgeschlossen
werden. Vielmehr handelt es sich um einen Vertrag zwischen den beteiligten
NATO-Staaten. Alle Haftungsfragen werden nicht mit der NATO als Internationale
Organisation, sondern zwischen Aufnahmestaat und Entsendestaat geregelt.
Selbst wenn eine Haftung der NATO als internationale
Organisation in Betracht käme, so würde das nicht die parallele Haftung der
Mitgliedstaaten ausschließen.
Wenn Regierungen eine internationale Organisation
gründen, um eine staatliche Aufgabe wahrzunehmen, sei es um den internationalen
Verkehr zu regeln, oder um die Warenpreise zu stabilisieren, dann übernehmen
sie eine öffentliche und keine privatrechtliche Funktion. Deshalb können sie
sich nicht darauf berufen, ihre Haftung sei beschränkt. Diese Verantwortung
bringt Haftbarkeit mit sich.
Staaten dürfen ihre
Verantwortlichkeit nicht dadurch beschränken können, dass sie eigene Aufgaben
durch internationale Organisationen wahrnehmen lassen. Dabei muß berücksichtigt
werden , dass internationale Organisationen lediglich einen Zusammenschluß von
Staaten beinhalten und dass diese Staaten voll verantwortlich für das
rechtmäßige Funktionieren der Organisationen sind.
Vgl. H. G. Schermers,
Liability of international organizations, in: Leiden Journal of International
Law, 1988, p. 3f. (9), Anlage
4; vgl. auch I. Seidl-Hohenveldern, Piercing the Corporate Veil of
International Organizations: The International Tin Council Case in the English
Court of Appeal, in: 32 german Yearbook
of International law, 1989, p. 43 (47), Anlage 5.