Projekt „NATO-Kriegsopfer klagen auf Schadenersatz“
Sehr geehrte Damen und
Herren, liebe Freunde und Unterstützer,
am 19.10.2006 wurde vor dem
3. Zivilsenat des BGH in Karlsruhe die mündliche Verhandlung, eingelegte
Revision gegen das Urteil der Berufungsinstanz, OLG Köln, in der Zivilklage der
Varvariner NATO-Opfer gegen die BRD unter Geschäftszeichen III ZR 190/05 durchgeführt.
Nachfolgend berichten wir
über das Geschehen in dieser mündlichen Verhandlung am 19.10.06.
1. Gericht und
Parteienvertretung
III. Zivilsenat des BGH :
Herr Schlick, Vorsitzender Richter am
BGH,
Herr Streck, Richter
am BGH,
Herr
Dr. Kapsa, Richter am BGH,
Herr Galke, Richter
am BGH,
Herr Dr. Herrmann,
Richter am BGH
Anwesende Kläger : Herr Zoran Milenkovic,
Frau Vesna
Milenkovic,
Frau Marina
Jovanovic
Anwälte für 34 der Kläger : Herr
RA Prof. Dr. Dr. Gross
Anwalt für eine Klägerin : Herr
RA Prof. Dr. Kummer
Erschienen für die Beklagte : Frau
Bornstett, Bundesverteidigungsministerium
Anwalt für Regierung : Herr
RA Prof. Dr. Krämer
2. Ausführungen des
Vorsitzenden Richters ( 1. Teil der Verhandlung)
Zunächst wurde die
Entscheidung des 3. Senates mitgeteilt, der Klägerin Ristic (Vertreter Prof.
Kummer) Wiedereinsetzung in den alten Stand zu gewähren. Ihre Prozessvertretung
hatte nicht termingerecht die Begründung zum Revisionsantrag geliefert.
Der Vorsitzende fragte die
Prozessvertreter ab, ob sie nun neue bzw. veränderte Anträge stellen wollen,
oder, ob es bei den Anträgen aus den Schriftsätzen bleibe.
Alle Prozessvertreter
erklärten, es bleibe bei den Anträgen lt. Schriftsätzen.
D.h. die Kläger beantragen:
„unter Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils
nach den Schlussanträgen der Kläger in der Berufungsinstanz zu erkennen, soweit
zu ihrem Nachteil erkannt worden ist,
hilfsweise, die Sache insoweit zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuweisen.“
D.h. die Beklagte beantragt:
„Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision der
Kläger zu 1 –10 und 12 – 27
[
Anmerkung H.K.: das sind alle Kläger von Prof. Gross vertreten] sowie der
Klägerin zu 11
[
Anmerkung H.K.: das ist Klägerin Ristic von Prof. Kummer vertreten] stand.“
Der allein ausführende
Vorsitzende Richter, Herr Schlik, resümierte sodann den bisherigen
gerichtlichen Verlauf der Klagesache nach Aktenlage. Dieses Resümee wird hier
thesenhaft berichtet.
Vorsitzender Richter Schlick:
-
Tatbestandsaufnahme
wie von Klägern vorgetragen und im Urteil 1. Instanz ausgeführt.
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Kläger fordern
Schmerzensgeld wegen Tötungen und Verwundungen.
-
Kläger adressieren
ihre Forderung an den deutschen Staat, vertreten von der Regierung.
-
Sie begründen
diese Adressierung damit, dass a) Deutschland sein mögliches Veto gegen ihre
Bombardierung unterlassen habe und b) Hilfe zum dem gegen sie gerichteten
Angriff durch Einsatz seiner Tornado geleistet habe.
-
Die wesentlichen
Punkte der Urteilsbegründungen der Gerichte 1. und 2. Instanz werden
vorgetragen.
-
Dieser 3. Senat
vertrete auch die Auffassung, dass allein das Völkerrecht, namentlich das I.
Zusatzprotokoll (ZP 1) zur Genfer Konvention als Maßstab zur Bewertung der Tat
zu dienen habe.
-
Das
Berufungsgericht habe mit seinem Urteil letztlich die Frage der
Völkerrechtswidrigkeit des Angriffes offen gelassen.
-
Allenfalls käme
eine deutsche Haftung nur auf dem Wege der Feststellung eines rechtswidrigen
Angriffes (lt. ZP 1), des Vorhandenseins eines nationalen Rechtsweges für
Geltendmachung von Ansprüchen und letztlich einer Zurechnungsmöglichkeit der
Tat zu deutschem Regierungshandeln (oder –unterlassen) in Frage.
-
Das OLG Köln sah
das Rechtsverständnis, dass allgemein bis 1945 galt, im wesentlichen bis heute
fortgelten.
-
Es stellt sich
hinsichtlich Rechtsweg tatsächlich die Frage ob der § 839 BGB – der einzig
denkbare Paragraf – auf Kriegsfolgeschäden Anwendung finden könne und ob er
nicht vielleicht im Kriege, wie von der Beklagten vorgetragen, durch
Kriegsrecht per Suspendierung oder per Überlagerung unwirksam werde.
-
Wenn der § 839
BGB jedoch den Rechtsweg beinhalten sollte, so wäre immer noch die Frage zu
beantworten, ob hierfür ein Fall aktuell vorliegend ist.
3. Die Plädoyers der
Prozeßparteien
3.1. Plädoyer des
Klägervertreters (für 34) Prof. Dr.Dr. Gross
-
Letztmalig hat
der BGH in ähnlicher Sache zum Fall Distomo aus 1944 geurteilt. Hierbei wurde
nach dem damals geltendem Recht entschieden. Seit dem bis zur Tat von Varvarin,
ca. 55 Jahre später, hat eine gewichtige Fortentwicklung des Völkerrechts
stattgefunden (UN-Charta, Genfer Konvention, deren ZP 1 u. a.)
-
Es sei kaum
vorstellbar, die Tat von Varvarin nicht im Lichte dieser Rechtsfortentwicklung
zu bewerten.
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Die
Tatschilderung, hier nochmals durch Verlesung von Abschnitten der
Urteilsbegründung der 1. Instanz durch den Vorsitzenden gegeben, zeige, dass
Varvarin am 30.05.1999 geradezu ein Ort des Friedens war. Weit ab von jeder
kriegerischen Handlung und auch völlig unberührt von militärischen Aktionen
oder Bewegungen der jugoslawischen Seite.
-
In dieses Bild
des Friedens schlug die NATO um 13.00 Uhr an diesem Sonntag hinein.
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Dieses Umfeld der
Tat muss gewertet werden. Eine simple technische Auffassung von Zielwahl und
Angriffszeit und –methode werde der Tat nicht gerecht.
-
Hier treffen zwei
Sichtweisen über völkerrechtliche Ansprüche aufeinander.
a)
traditionell : Nur Staaten sind
Rechtssubjekte, nur sie können Inhaber von Ansprüchen sein.
b)
modern : Völkerrecht nimmt auch das
Individuum in den Blick.
Das
Völkerrecht kennt nun auch das Individuum. Es verleiht erstrangige, primäre
Rechte – Schutzrechte – mit dem ZP 1 dem Individuum. Auch werden neuerdings
Verstöße gegen das Völkerrecht nicht mehr nur den Staaten vorgehalten, sondern
es wird aus dem Völkerrecht direkt auf das für den Staat handelnde Individuum
durchgegriffen (Bestrafung und Haftung).Wenn aber völkerrechtliche
Pflichtverletzungen das Individuum treffen, dann muß dass Individuum auch
unmittelbarer Träger von Rechten aus dem Völkerrecht sein. Sonst liegt enormes
Ungleichgewicht vor.
Hier
besteht die große Herausforderung für den erkennenden Senat. Es gilt, auch mit dem anstehenden Urteil,
mit dem Aufbau eines speziellen Sanktionssystems zu beginnen. Ein solches
Sanktionssystem kann nicht auf den guten Willen des Schädigers angewiesen sein.
Es
entsteht aus der Anerkennung des Individuums.
-
Zumal dürfte es
ja nur zu verständlich sein, dass die Staaten, die die Taten begehen, eben
keine Neigung haben ihren Opfern durch Abschluß internationaler Verträge oder
durch Entschädigungsregelungen per nationalem Gesetzgebungsakt ein wirksames
Mittel gegen sich selbst zu verschaffen.
-
Nach Lage der
Dinge kommt hier nur die Setzung von Richterrecht in Frage, um Abhilfe zu
schaffen.
-
Zum nationalen
Recht. Die Frage also, ob denn Kriegsrecht allgemeines, bürgerliches Recht
suspendiere.
-
Unter der
Herrschaft des Grundgesetzes (GG) ist kein Raum für die Auffassung der
Beklagten. Das GG enthält keinen Hinweis, keinen Vorbehalt für den Kriegsfall.
-
Recht müsse
gerade dann gelten, wenn seine Anwendung am meisten gefordert ist.
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Daraus folgt,
dass immer dann, wenn eine Rechtsverletzung mit schädigenden Folgen vorliegt,
nach § 839 zu entschädigen ist.
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Zur Frage der
Zurechnung der Tat zur Beklagten:
a)
Es ist keine Unterscheidung nötig, ob eine direkte
oder indirekte Beteiligung der Beklagten vorliegt.
b)
Mittäterschaft aus mittelbarer Teilnahme
(Aufklärungsflüge durch deutsche MCR-Tornado, Teilnahme an Zielauswahl, und
Luftraumdeckung durch deutsche ECR-Tornado) reiche aus.
c)
Gesamtschuldnerische Haftung ist gegeben, wenn aus
einer Reihe möglicher Täter der tatsächliche nicht zu bestimmen ist.
-
Zum Verschulden
der Beklagten:
a)
Das OLG Köln nimmt in seiner Begründung einen
Logikbruch vor. Es stellt zwar fest, dass die Beklagte an der Zielauswahl –
auch Varvarin – beteiligt war, stellt das aber unter einem sehr weit gefassten
politischen Ermessensspielraum, der nicht überschritten worden sei.
b)
Aber wo soll dieser Spielraum herkommen, wenn doch
jede militärische Tat streng den Anforderungen des ZP 1 zu genügen habe? In der
Tat gibt es für eine Angriffsentscheidung keinen politischen
Ermessensspielraum, sondern nur strenge Regeln, die einzuhalten sind. Eine
blinde Zielauswahl, auch ein die Folgen-besser-nicht-wissen-wollen ist lt. ZP 1
unzulässig.
c)
Das OLG hat fehl entschieden, indem es dem Absolution
erteilte.
d)
Letztlich begründet das gesagte (b) das individuelle
Verschulden der Beklagten.
3.2. Plädoyer des
Klägervertreters (für eine) Prof. Dr.Kummer
-
Das Handeln der
NATO steht krass den erklärten NATO-Ziele (Humanitäre Intervention) entgegen.
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Subjektivität der
Person ist im Völkerrecht anerkannt. Daraus folgt, dass die Person Inhaber von
Schutzrechten (primär) und von Ersatzansprüchen (sekundär) ist.
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Wenn jedoch die
Schutzrechte als primäre anerkannt sind, dann muss auch der Sekundäranspruch anerkannt
werden, sonst wären die primären Rechte nur Scheinrechte. Sie würden leer
laufen, wenn dem Verstoß gegen primäre Rechte nicht die Sanktion folgt.
-
Zwar ist im
Völkerrecht nicht ein primärer Haftungsanspruch für Individuen kodifiziert,
jedoch ist ihr Ausschluss von solchen ebenfalls nicht kodifiziert. Alles ist
nur bisherige (traditionelle) Auslegung. Schon gar nicht schließt das
Völkerrecht etwaige parallele nationale Rechtswege für Entschädigung aus.
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Das OLG Köln hat
nicht explizit die Völkerrechtswidrigkeit des Angriffes festgestellt. Diese
aber zumindest hinsichtlich Methode und Tatzeit unterstellt.
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Hier liegt
seitens der Beklagten eine Teilnehmerhaftung als Mittäter, mindestens jedoch
als Gehilfin vor.
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Scharf ist der
von der Beklagten vertretenen These „Im Krieg ist Brücke immer legitimes Ziel“
zu widersprechen. Da von jugoslawischer Seite diese Brücke in keiner Weise
militärisch genutzt wurde, konnte ihre Zerstörung dem Angreifer keinen
militärischen und gerechtfertigten Vorteil bringen.
-
Vielleicht sei
dem vom OLG Köln gesehenen weiten, politischen Spielraum – der zudem nicht
justitiabel gestellt sein soll – in einigen Grundfragen zuzustimmen. Hier sei
an die Entscheidung zur Führung eines Krieges selbst, oder an dessen
strategische Ausführung – hier eben nur als Luftkrieg – zu denken. Aber jede
einzelne Zielauswahl und Aktion muss rechtlicher Nachprüfung unterliegen.
Andernfalls wäre das Schutzrechtssystem faktisch nicht existent.
-
Der Angriff auf
Varvarin sei zudem als verbotener „Unterschiedsloser Angriff“ anzusehen.
Angesichts der großen Menschenmenge am Tatort zur Tatzeit sei andere Einstufung
nicht möglich.
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Ist nun dieser
Angriff der BRD zuzuschreiben? Die Frage ist zu bejahen. Als Mittäter, dann
wenn sie um den Gesamtplan wusste und zur Tat beitrug. Oder als Gehilfe dann,
wenn sie irgendwie etwas tat, was geeignet war, den Erfolg herbeizuführen. Für
den Status des Gehilfen kommt es nicht im mindesten darauf an, dass der
Haupttäter seinem Gehilfen in die Einzelheiten der geplanten Tat vorab
einweihte. Einzelheiten muss der Gehilfe nicht kennen. Somit entfaltet das
ständig von der Beklagten strapazierte NATO-Prinzip des „need to know“ für sie
auch keinen Schutz.
3.3. Plädoyer des
Beklagtenvertreters (für BRD) Prof. Dr. Krämer
-
Die
Klägervertreter haben bisher – statt substantieller Rechtsdiskussion – sich nur
auf Appelle an das Gericht zurückgezogen. Das Gericht solle sich doch zu neuer,
nie da gewesener Auslegung des Rechts hinreißen lassen. Es bleibe, entgegen den
Wünschen der Klägervertreter jedoch dabei, dass für Haftung aus Kriegsfolgen
nur zwei Wege bestehen
a)
Zwischenstaatliche vertragliche Vereinbarungen, vor
dem Konflikt in Kraft gesetzt, oder
b)
Innere Gesetzgebungsakte durch das Parlament für
solche Fälle.
Hier
mangelt es an beidem, womit kein Rechtsweg für die Kläger in Deutschland
bereitgestellt ist. Eine etwaige Entscheidung des Gerichtes im Sinne der Kläger
wäre somit völlig unzulässig.
-
Es besteht nicht
nur eine politische, sondern auch eine militärstrategische Prorogative. Nicht
nur hat die Regierung – wie zu Recht vom OLG Köln gesehen – einen weiten
politischen, nicht justitiablen Ermessensspielraum, sondern gleiches gelte für
die militärischen Entscheidungen der Regierung oder ihrer militärischen
Entscheidungsträger. Es ist festzuhalten, dass somit auch jede militärische
Zielauswahl nicht justitiabel ist.
-
Die Kläger
hätten, wollten sie Aussicht auf Erfolg haben, beweisen müssen, dass der
Angreifer mit Vorbedacht Zivilisten hätte treffen wollen. Von einem solchem
Beweis fehlt jede Spur.
-
Dass Brücken im
Krieg immer legitime Ziele sind, wurde erst unlängst eindrücklich vor Augen
geführt. Israel hat im Libanonkrieg wohl alle Brücken des Landes aus der Luft
angegriffen und zerstört. Israel rechtfertigte das mit der großen militärischen
Bedeutung einer jeden Brücke. Denn die Hisbolla hätte ja bei Zerstörung nur
einiger Brücken in der Nähe zum Kampfgebiet ihre Versorgung zu jeder Zeit über
verbleibende Brücken umleiten können. Die Argumentation Israels blieb weitgehend
unwidersprochen und wurde somit akzeptiert.
-
Weiterhin schützt
das Prinzip des „need to know“ eben doch die Beklagte. In keinem Falle wusste
sie, welchen Auftrag die Angriffsflugzeuge hatten, die sie mit ihren
ECR-Tornados deckte.
-
Hinsichtlich der
Rechtsanwendung ist zu konstatieren, dass die Haftungsartikel – sowohl Art. 3
der HLKO als auch Art. 91 des ZP 1 – kein anwendbares Recht sind. Sie sind
nicht Bestandteil des Völkerrechts geworden, weil niemals geübt. Weil wegen der
langen Zeit der Existenz der Artikel
niemals Anwendungsfälle auftraten, haben sie den Sprung in das
Völkergewohnheitsrecht nicht geschafft.
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Aus dem GG ist
kein Anspruch herzuleiten, denn die Kläger stehen nicht unter dem Schutz des
deutschen GG.
-
Eine
zwischenstaatliche Vereinbarung als etwaige Anspruchsquelle existiert nicht.
-
Die Ansicht der
Klagevertreter, hier sei ein „unterschiedsloser Angriff“ auf Zivilisten
vorliegend, ist falsch. Denn nur die Brücke, die jeder Zeit hätte militärisch
genutzt werden können, war alleiniges Ziel. Der zweite Angriff diente auch nur
der Sicherstellung der Zerstörung der Brücke. Wegen Rauch hätten die Piloten
nicht sicher abschätzen können, ob denn der Auftrag ausgeführt gewesen sei.
-
Dass der zweite
Angriff den herbei eilenden Helfern gegolten hätte, ist absurd. Wegen der doch
zu großen Entfernung des Marktes hätte kein Helfer in den 3 bis 5 Minuten die
Brücke erreichen können.
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In Summa: Alle
Erwägungen zum Völker- und Verfassungsrecht führen nicht dazu, dass hier
anerkennungsfähige Ansprüche vorliegen.
-
Die Prüfung des
verbleibenden nationalen Rechtsweges führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn §
839 ist in seiner Anwendung auf den friedensmäßigen Normalzustand beschränkt.
Nur dafür wurde er geschaffen – siehe Rechtshistorie. Jedenfalls ist es
unzulässig, ihn auf Kriegsfolgeschäden anzuwenden.
-
Da die einzig
befugte Institution – der Gesetzgeber – auch keine Gesetzgebungsakte zur
Regulierung von Ansprüchen neuerer Kriegshandlungen erlassen hat, findet sich
auch hier keine Rechtsquelle.
-
Letztlich ist der
erkennende Senat gehalten, die vom OLG Köln in seinem Urteil gesehene
Möglichkeit der Nutzung des § 839 zur Regulierung von Kriegsfolgeschäden, zu
korrigieren.
4. Nachfragen des 3.
Senats an die Parteivertreter
Frage, vom Vorsitzenden
gestellt, an den Beklagtenvertreter, Prof. Krämer
Ob er den wirklich meine, dass das deutsche Recht
unter keinen Umständen einen Rechtsweg für Ansprüche von Geschädigten offen
halte? Auch dann nicht, wenn schwerwiegenste Verletzungen des Kriegsvölkerrechtes
vorliegen sollten oder Exzesstaten Gegenstand sind?
Antwort Prof. Krämer:
Nein, für diese extremen Fälle müsse es einen
Rechtsweg geben. Diese Fälle könnten aber nur die sein, wo Vorsatz bewiesen
wäre. Aber auch hier müsse das Parlament erst handeln.
Eine richterliche Untersuchung des Rechtsweges sollte
erst später, an einem „gegebenen Fall“ erfolgen. Nicht an diesem Fall, denn
hier liegt keiner vor.
Das wird auch schlagend dadurch bewiesen, dass ja in
2000 Varvarin mit eine Reihe von NATO-Angriffen der Anklagebehörde des ICTY,
der Frau Del Ponte, angezeigt wurde. In keinem Fall sah sich Frau Del Ponte
gehalten, auch nur ein Ermittlungsverfahren zu eröffnen, da überall der
Anfangsverdacht fehlte. In der Antwort Frau Del Pontes auf die Anzeige ist Varvarin
nicht erwähnt. Das Gericht sollte die Fest- oder eben Nichtfeststellungen der
Behörde Frau Del Pontes entscheidend in seiner Urteilsfindung berücksichtigen.
Prof. Kummer erbat und erhielt das Wort zu seiner
Erwiderung:
Kriegshandlungen seien justitiabel. Seit der HLKO.
Siehe Nürnberg, Ruanda oder eben auch das ICTY. Nur müsse nun Zivilrecht
langsam mal dem Strafrecht gleichziehen.
Das Gericht habe zu entscheiden, ob Mitwirkung in
Aufnahme in eine Zielliste nicht hinreichend sei.
Zu diesem Zeitpunkt setzte sich RA Karpenstein, in den
Vorinstanzen Prozessvertreter der
Regierung, unaufgefordert neben Prof. Krämer auf die Beklagtenbank. Prof.
Krämer stellte Antrag, das Gericht solle Karpenstein anhören. Er hätte wichtiges
auszuführen.
Für die Kläger intervenierte Prof. Gross. Sollte das
Gericht Karpenstein Rederecht einräumen, so stelle er den Antrag, dass zur
Wahrung der Balance die drei anwesenden Kläger auch durch das Gericht angehört
werden sollen.
Krämer zog seinen Antrag zurück!
Prof. Gross erbat und erhielt das Wort zu seiner
Erwiderung:
Das Gericht solle insbesondere den zweiten Angriff
bewerten. Wenn denn die Ausführungen des Beklagtenvertreters stichhaltig sein
sollen, möge er bitte erklären, welchen weiteren wirksamen militärischen
Vorteil die NATO durch die Vernichtung des schon vernichteten erlangen wollte.
Wenn denn aber die Ausführenden, für die der Auftraggeber haftet, halt wegen
Rauch nicht erkennen konnten, dass die Brücke nach dem ersten Angriff im Wasser
lag, konnten sie ihre Waffen eben doch nur blind, in den Rauch abschießen.
Genau das aber ist nach ZP 1 völlig unzulässig und löst auch Haftung aus.
5. Nachbemerkungen des
Verfassers
Der 3. Senat hatte 2 Stunden
festgesetzt (10.00 bis 12.00 Uhr). Das reichte nicht. Die Verhandlungszeit
wurde erheblich überschritten.
Morgens war ausgehangen, dass
die Verkündung noch am selben Tag um 15.00 Uhr erfolgen solle.
D.h. die Richter kamen schon
mit einer fertigen Auffassung in den Saal. Das kippte. Bei Schließung der
Verhandlung erklärte der Vorsitzende, das Gericht habe nun weiteren
Beratungsbedarf. Neuer Verkündungstermin werde demnächst bekannt gegeben.
Die erste halbe Stunde
übersetzte unser PR-Mitglied Gordana Milanovic für Zoran und Marina leise
simultan (Vesna versteht ja selbst bestens Deutsch). Dann führte der
Beklagtenvertreter, Prof. Krämer, ersichtlich in höchstem Zorn Beschwerde zu
den Richtern. Es sei ihm unmöglich so der Verhandlung zu folgen. Er könne sich
nicht konzentrieren. Das Gericht möge diese Geräusche unterbinden.
Gordana erklärte sofort, Sie
stelle die Übersetzung ein. Der Vorsitzende dankte ihr und bemerkte er wolle
Ihr abschnittsweise eine Unterbrechung gewähren, um in Serbisch Resümees zu
geben.
Zoran war nicht einverstanden
und verließ demonstrativ den Saal.
Anwesend waren etwa 10
Unterstützer. Wir bedanken uns für ihr kommen.
Nach übereinstimmender
Auffassung der 3 anwesenden Kläger und uns 2 PR-Mitgliedern (Gordana und ich),
hat unser Vertreter Prof. Gross sehr gut und beeindruckend vor Gericht agiert.
Die Kläger dankten ihm
unmittelbar nach Ende der Verhandlung in sehr bewegter Weise.
Prof. Gross gab uns auch ad
hoc eine erste Einschätzung des Geschehens.
-
Auch wenn er für
die Gewährung von Individualansprüchen aus dem Völkerrecht plädiert habe, sei
doch nicht wahrscheinlich, dass das Gericht diesen mutigen Schritt gehen wird.
-
Es ist eher zu
erwarten, dass der Rechtsweg über BGB § 839 durch den BGH bestätigt wird.
-
Der kritische
Punkt wird aber in der Zurechnung der Tat zum Handeln (oder Unterlassen) der
deutschen Regierung bestehen. Es ist nicht hoffnungslos, dass in Augen des
Gerichtes Mitwirkung bei Zielauswahl und Unterstützungshandlung
(Tornado-Einsatz) nicht reichen könnten.
Inzwischen teilte mir Prof.
Gross den nun angesetzten Verkündungstermin mit.
Donnerstag, der 2.
November 2006, Saal N 004, am Sitz des BGH.
Es ist nur mit dem dürren
Spruch zu rechnen, keinesfalls mit einer mündlichen Begründung.
Daher loht es sich nicht,
nach Karlsruhe zu reisen.
Der Projektrat wird
vorsorglich schon jetzt mit Vorbereitungen für eine Verfassungsbeschwerde für
den Fall der Niederlage beginnen.
Ich schließe diesen Bericht
mit einem Zitat aus einem Brief von Professor Gross an den Unterzeicher vom
20.10.2006:
„Bei dieser Gelegenheit darf ich Ihnen versichern,
dass mich die erschienenen Kläger und deren Schicksal sehr beeindruckt haben.
Bitte geben Sie dies an die Kläger weiter und versichern Sie ihnen, dass ich
aufgrund der bewegenden Schilderungen in den Akten versucht habe, mein bestes
zu geben.“
Im Auftrag des Projektrates
Harald Kampffmeyer
Projekt „NATO-Kriegsopfer klagen auf Schadenersatz“