35 Serben verklagen die Bundesrepublik

Von Bernd Dörries

Bonn – Wegen eines Nato-Luftangriffs während des Balkankrieges haben 35Staatsbürger Jugoslawiens die Bundesrepublik Deutschland vor dem Landgericht Bonn auf Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 3,5 Millionen Euro verklagt. Bei den Klägern handele es sich um Bewohner der serbischen Ortschaft Varvarin, sagte der Sprecher des Landgerichts, Daniel Radke, am Dienstag. Dort wurden im Laufe eines Nato-Luftangriffs im Jahr 1999 laut Klageschrift zehn Zivilisten getötet und 17 weitere schwer verletzt. Der Angriff habe gegen das Völkerrecht verstoßen, da sich in dem 4000-Einwohner- Ort keinerlei militärische Ziele befunden hätten, heißt es in der Klageschrift.

Nach Darstellung der Kläger – Opfer und Hinterbliebene des Angriffs – hat ein Nato-Kampfjet am 30.Mai 1999 eine Rakete auf die Brücke des Ortes abgefeuert. Dort hätten sich mehrere zivile Fahrzeuge und Passanten befunden. Die Brücke sei zerstört worden, und drei Menschen seien ums Leben gekommen. Wenige Minuten später habe die Nato das Gebiet erneut beschossen und weitere sieben Bewohner des Dorfes getötet, die den Opfern des ersten Angriffs zu Hilfe kommen wollten. Die Piloten hätten bei klarer Sicht und niedriger Flughöhe sehen müssen, dass es sich bei ihrem Angriffsziel um Zivilisten gehandelt habe. Die Nato habe damit gegen das Zusatzprotokoll über den Schutz der Opfer internationaler Konflikte vom 8.Juni 1977 verstoßen, heißt es in der Klage.

Zwar wissen die Kläger nicht, welcher Nationalität die Flugzeuge waren, die Varvarin angriffen. Doch die Bundesrepublik muss ihrer Meinung nach für die Folgen der Angriffe haften, da sie als Mitglied der Nato an militärischen Aktionen gegen Jugoslawien teilgenommen und mit den anderen Mitgliedern gemeinschaftlich den fraglichen Luftangriff beschlossen habe. Das Landgericht Bonn hat die Rechtsvertreter der Bundesrepublik aufgefordert, bis Anfang Oktober eine schriftliche Erwiderung auf die 147 Seiten starke Klageschrift einzureichen. Danach werde über den Termin der ersten mündlichen Verhandlung entschieden. Außergerichtlich habe das Verteidigungsministerium den Klägern bereits mitgeteilt, dass keine individuellen Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden könnten, sagte Gerichtssprecher Radke. Die Klageschrift war ursprünglich beim Landgericht Berlin eingereicht worden. Am 17. Juli wurde sie nach Bonn, verwiesen, weil dort das Verteidigungsministerium sitzt

18.9.2002

Süddeutsche Zeitung

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