Kölner
Gericht fällt Entscheidung zum Bombenangriff auf die serbische Stadt Varvarin /
Revision zugelassen
Serbische
Opfer eines Nato-Bomben- angriffs auf die Stadt Varvarin haben keinen Anspruch
auf Schadenersatzzahlungen durch die Bundesrepublik Deutschland. Das entschied
das Kölner Oberlandesgericht.
Köln · 28. Juli ·
Der Prozess, über den das Kölner Oberlandesgericht am Donnerstag zu befinden
hatte, war eine Premiere: Zum ersten Mal hatten Opfer einer aktuellen
kriegerischen Auseinandersetzung Klage gegen eines der Angriffsländer erhoben.
35 Überlebende eines Nato-Angriffs auf die serbische Stadt Varvarin hatten die
Bundesrepublik stellvertretend für alle 19 Nato-Beteiligten am Kosovo-Krieg
verklagt.
Das Kölner Oberlandesgericht wies ihre Klage am Donnerstag
jedoch zurück, ebenso wie zuvor in erster Instanz das Bonner Landgericht. Beide
Instanzen hatten sich auf das humanitäre Völkerrecht berufen, wonach nur ein
Staat sein Recht auf Reparationszahlungen gegenüber einem anderen Staat geltend
machen kann, niemals jedoch ein einzelner Bürger.
Die Bürger von Varvarin
hatten mit ihrer Vorgehensweise juristisches Neuland betreten: Bislang mussten
deutsche Gerichte lediglich über Kriegsverbrechen urteilen, die während des
Zweiten Weltkriegs geschahen, jetzt zum ersten Mal über die Auswirkungen eines
kriegerischen Konflikts jüngerer Zeit.
Zu den Klägern gehören die Eltern
getöteter Kinder, die am 30. Mai 1999, zum Fest der Heiligen Dreifaltigkeit,
über die kleine Brücke von Varvarin flanierten. Im Umfeld der Brücke waren mehr
als 300 Marktstände aufgebaut, ein Festmahl fand im Freien statt, in der Kirche
hatte man sich zum Gottesdienst versammelt. Plötzlich kreisten
Nato-Kampfflugzeuge über der Stadt. Ohne Vorwarnung fielen die ersten Bomben,
zerstörten die Brücke über die Morawa. Wenige Minuten später kamen die Bomber
zurück, warfen erneut ihre explosive Fracht ab. Zehn tote Zivilisten gab es bei
diesem Militäreinsatz, 30 Menschen wurden verletzt, darunter 17
schwer.
Bis heute ist ungeklärt, warum die Brücke von Varvarin überhaupt
Angriffsziel war. Handelte es sich um eine Verwechslung mit einer 15 Kilometer
entfernt liegenden Autobahnbrücke ? Unstrittig war für den Kölner OLG-Senat,
dass an dem Raketenangriff keine deutschen Flugzeuge unmittelbar beteiligt
waren. Ob jedoch deutsche Flieger den Nato-Bombern Begleitschutz gewährten,
konnte nicht geklärt werden. Es lasse sich außerdem nicht feststellen, heißt es
in der Urteilsbegründung, dass allein schon die Aufnahme dieser Brücke in die
Ziellisten der Nato "offensichtlich völkerrechtswidrig gewesen sei".
Die
Kläger hatten stets damit argumentiert, dass die Bundesregierung als
Nato-Mitglied ein Vetorecht gegen dieses Zielobjekt gehabt und davon keinen
Gebrauch gemacht habe. Für sie war der Angriff auf die Brücke ein klares
Kriegsverbrechen. Den Bürgern von Varvarin ließ der Kölner Zivilsenat allerdings
ein Hintertürchen offen. Da noch nicht höchstrichterlich entschieden wurde, ob
nicht das deutsche Amtshaftungsrecht auf Handlungen im Rahmen bewaffneter
Auseinandersetzungen anzuwenden sei, wurde Revision beim Bundesgerichtshof (BGH)
zugelassen.
Kläger
setzen nun auf Zivilrecht
Nun muss der BGH klären, ob die Überlebenden
des Nato-Angriffs auf Varvarin nicht doch berechtigterweise Schadenersatz von
der Bundesregierung fordern könnten. Allerdings nicht aufgrund völkerrechtlicher
Regelungen, sondern mit Hilfe eines schlichten deutschen
Zivilrechtsparagraphen.
Aktenzeichen: 7 U 8/04