Regierung der Bundesrepublik Deutschland
Betrifft: Bombardierung der Zivilbevölkerung und ziviler Objekte in der Bundesrepublik Jugoslawien durch die NATO Staaten, hier: Bombardierung der Brücke von Varvarin am 30. Mai 1999 - Schadenersatzforderungen der Opfer gegen die Bundesrepublik Deutschland Herr Bundeskanzler, unter Überreichung beiliegender beglaubigter Vollmachtskopien geben wir Ihnen die Vertretung der Rechtsinteressen folgender Staatsbürger der Bundesrepublik Jugoslawien gegen die Bundesrepublik Deutschland bekannt: 1. Die Eheleute Frau Vesna ( geb. Randjelovic) und Herr Zoran Milenkovic, Eltern und Erben der durch die Bombardierung im Alter von 15 Jahren getöteten Sanja Milenkovic; 2. Frau Jasmina Zivkovic (geb. Apostolovic), Tochter und Erbin des durch die Bombardierung im Alter von 74 Jahren getöteten Herrn Tola Apostolovic; 3. Frau Dusica Ciric (geb. Ilic) und Frau Verica Ciric, Witwe, Tochter und gemeinsame Erben des durch die Bombardierung im Alter von 66 Jahren getöteten Priesters Milivoje Ciric; 4. Frau Milena Marinkovic, Mutter und Erbin des durch die Bombardierung im Alter von 33 Jahren getöteten Zoran Marinkovic; 5. Frau Radmila Ristic ( geb. Zivotije ), Witwe und Erbin des durch die Bombardierung im Alter von 52 Jahren getöteten Stojan Ristic; 6. Frau Zivadinka Savic ( geb. Miladinovic ), Mutter und Erbin des durch die Bombardierung im Alter von 28 Jahren getöteten Milan Savic; 7. Frau Gordana Stankovic, Witwe und Erbin des durch die Bombardierung im Alter von 30 Jahren getöteten Vojkan Stankovic; 8. Frau Mirjana Terzic, Witwe und Erbin des durch die Bombardierung im Alter von 67 Jahren getöteten Dragoslav Terzic; 9. Frau Marijana Stojanovic, die durch die Bombardierung im Alter von damals 15 Jahren schwer verletzt wurde; 10. Fräulein Marina Jovanovic, gesetzlich vertreten durch ihre Mutter, Frau Evica Jovanovic, die durch die Bombardierung im Alter von damals 15 Jahren schwer verletzt wurde; 11. Herr Predrag Macic, der durch die Bombardierung im Alter von damals 43 Jahren schwer verletzt wurde; 12. Herr Dragoljub Arsenijevic, der durch die Bombardierung im Alter von damals 43 Jahren schwer verletzt wurde; 13. Herr Miroljub Brakovic, der durch die Bombardierung im Alter von damals 40 Jahren schwer verletzt wurde; 14. Herr Bozidar Dimitrijevic, der durch die Bombardierung im Alter von damals 66 Jahren schwer verletzt wurde; 15. Herr Slobodan Ivanovic, der durch die Bombardierung im Alter von damals 54 Jahren schwer verletzt wurde; 16. Herr Petar Mijatovic, der durch die Bombardierung im Alter von 27 Jahren schwer verletzt wurde; 17. Herr Slavoljub Kovacevic, der durch die Bombardierung im Alter von 26 Jahren schwer verletzt wurde; 18. Herr Predrag Savic, der durch die Bombardierung im Alter von damals 46 Jahren schwer verletzt wurde; 19. Herr Milan Mitrovic, der durch die Bombardierung im Alter von 22 Jahren schwer verletzt wurde; 20. Herr Predrag Milosevic, der durch die Bombardierung im Alter von 29 Jahren schwer verletzt wurde; 21. Herr Miroslav Dakic, der durch die Bombardierung im Alter von 48 Jahren schwer verletzt wurde; 22. Herr Goran Stojanovic, der durch die Bombardierung im Alter von 23 Jahren schwer verletzt wurde; 23. Herr Vlastimir Vasic, der durch die Bombardierung im Alter von 40 Jahren schwer verletzt wurde; 24. Herr Momcilo Jevtic, der durch die Bombardierung im Alter von 45 Jahren schwer verletzt wurde; 25. Frau Mirjana Nesic, die durch die Bombardierung im Alter von 29 Jahren schwer verletzt wurde.
1. Sachverhalt Am Sonntag, den 30. Mai 1999 flogen Kampfflugzeuge der NATO-Staaten einen "Kampfeinsatz" in der serbischen Kleinstadt Varvarin. Dabei wurden 10 Menschen getötet, über 30 Personen verletzt sowie eine Brücke zerstört. Auf einer Pressekonferenz am 31. Mai 1999 in Brüssel haben die NATO Staaten den Bombardierungsfall eingestanden. Der damalige Pressesprecher der NATO, Jamie Shea, äußerte dazu auf Befragen vor den Journalisten, es habe sich hierbei um ein "legitimes militärisches Ziel" gehandelt. Diese Behauptung des Pressesprechers ist eine Lüge zur Verschleierung eines Kriegsverbrechens. Der Angriff richtete sich nicht gegen militärische Ziele, war nicht legitim und ist durch nichts zu rechtfertigen. Die konkrete Ausführung des "Kampfeinsatzes", das zum Beschuß ausgewählte Zielobjekt, die örtlichen Gegebenheiten, der Zeitpunkt und die Gesamtumstände belegen, daß der Angriff darauf ausgerichtet war, Personen der jugoslawischen Zivilbevölkerung zu töten und zu verletzen sowie zivile Objekte zu zerstören: In einer 1. Angriffswelle flogen 2 Kampfflugzeuge der NATO zwischen 13:00 und 13:25 des 30. Mai 1999 bei klarer Sicht, wolkenlosem Himmel und Sonnenschein die über den Fluß Morava führende Brücke der Kleinstadt Varvarin an. Die Brücke dient den ca. 4000 Einwohnern von Varvarin als direkter Zugang zur Stadt, die sich bis an das Ufer der Morava und somit bis zur Brücke erstreckt. Augenzeugen schätzen die Flughöhe der anfliegenden Kampfflugzeuge auf wenige 100 Meter. Die Maschinen feuerten zwei Raketen ohne jede Vorwarnung auf die Brücke ab. Die beiden detonierenden Raketen zerstörten die Brücke vollständig. Infolge der Raketentreffer wurde die Brücke vom Mittelpfeiler getrennt. Am Mittelpfeiler stürzte die Brücke stadtauswärts in den Fluß, während das Brückenende auf die höher liegende Uferböschung abrutschte, so daß das ca. 100 Meter lange Brückenteil letztlich mit einem starken Neigungswinkel Richtung Fluß zerstört in der Morava lag. Bei diesem ersten Angriff verloren 3 Menschen ihr Leben, mindestens weitere fünf Personen wurden verletzt. Obwohl die Brücke bereits zerstört war, kehrten die Kampfflugzeuge der NATO - nach den uns vorliegenden Zeugenaussagen ca. 3 bis 6 Minuten später - zur Brücke zurück und schossen in einer 2. Angriffswelle 2 weitere Raketen ab, die unter den inzwischen zur Brücke geeilten Hilfeleistenden weitere 7 Personen töteten und weitere 12 Personen schwer verletzten. Zum Zeitpunkt der Bombardierung befanden sich ca. 3000 bis 3500 Menschen in unmittelbarer Nähe der Brücke. Eine Vielzahl dieser Menschen hielt sich auf dem Gelände der von der Brücke ca. 120 bis 150 Meter entfernten Kirche auf. Dort wurde das Fest der Heiligen Dreifaltigkeit gefeiert, an dem jedes Jahr viele Gläubige aus Varvarin und Umgebung teilnehmen. Eine weitere große Menschenansammlung befand sich ca. 200 bis 250 Meter von der bombardierten Brücke entfernt, nämlich auf dem regelmäßig sonntags stattfindenden Markt von Varvarin, auf dem an diesem Tag der Betrieb von über 300 Marktständen durch die zuständige Amtsstelle des Rathauses genehmigt worden war. Folglich herrschte auf der Brücke zum Zeitpunkt der Bombardierung reger Verkehr. Zivilfahrzeuge, Fußgänger und Radfahrer überquerten stadteinwärts und stadtauswärts die Brücke. Unter den dargestellten Gesamtumständen mußte den Verantwortlichen der NATO- Staaten schon vor dem ersten Angriff auf die Brücke klar sein, daß der Beschuß des ausgewählten Objekts aufgrund seines Standorts, der Lage, des Zeitpunkts und zivilen Nutzung zwangsläufig zu Toten und Verletzten unter der Zivilbevölkerung führen würde. Gilt das bereits für den ersten Angriff auf die Brücke, gilt dies erst recht für den zweiten Angriff, bei dem die unbedingte, vorsätzliche und kriminelle Tötungsabsicht nicht zu übersehen ist. Der gesamte Angriff war demnach darauf ausgerichtet, Angst und Schrecken unter der Zivilbevölkerung zu verbreiten. Nicht zuletzt wird dies auch dadurch belegt, daß in dem ca. 200 Kilometer nördlich vom Kosovo gelegenen Varvarin zu keinem Zeitpunkt Militär stationiert war und die Kleinstadt und somit auch nicht ihre Brücke von militärischen Transporten tangiert wurde, weshalb schon der Angriff und die Zerstörung der Brücke nicht gerechtfertigt war. 2. Getötete und schwer verletzte Personen 2.1. Getötete und schwer verletzte Personen (1. Angriffswelle) Durch die erste Angriffswelle wurden insgesamt 3 Personen getötet und weitere 5 Personen schwerverletzt. Örtlich betrachtet befanden sich zu diesem Zeitpunkt 5 Personen unmittelbar auf der Brücke, von denen 3 Personen infolge des Raketenbeschusses getötet und zwei weitere schwerverletzt wurden. Weitere 3 Personen, die bei der erste Angriffswelle schwer verletzt wurden, befanden sich am Ufer der Morava in unmittelbarer Nähe der Brücke. 2.1.1. Getötete und schwerverletzte Personen auf der Brücke (1. Angriffswelle) Der 24jährige Ratobor Siminovic überquerte gemeinsam mit seiner Mutter Ruziza Siminovic ( derzeit noch nicht mandatiert) die Brücke mit einem roten Pkw stadtauswärts. Infolge der Detonationen der Raketen stürzten sie mit dem Pkw in den Fluß. Ihre Leichen konnten erst Tage später geborgen werden. Folgende weitere Personen, deren Angehörige wir im Todesfall bzw. bei Personenschäden die Geschädigten sämtlichst vertreten, kamen wie folgt zu Schaden: a) Das jüngste Todesopfer des brutalen Luftangriffs ist die damals fünfzehnjährige Schülerin Sanja Milenkovic (vgl. oben Auflistung der Mandanten, dort Ziff. 1.). Sie überquerte zu Fuß zum Zeitpunkt des ersten Angriffs gemeinsam mit ihren beiden gleichaltrigen Freundinnen und Geschädigten, Mariana Stojanovic (vgl. oben Auflistung der Mandanten, dort Ziff. 9) und Marina Jovanovic (vgl. oben Auflistung der Mandanten, dort Ziff. 10) vom Markt in Varvarin kommend die Brücke stadtauswärts. Sie hatten die Brücke etwa zur Hälfte überquert, als die drei Mädchen plötzlich Flugzeuggeräusche oder Raketengeräusche hörten. Etwa drei Sekunden später detonierten fast zeitgleich die beiden Raketen. Die drei Mädchen wurden in die Luft geschleudert und fielen anschließend auf das in die Morava stürzende Brückenteil. Alle drei Mädchen hielten sich an dem schräg im Wasser liegenden Brückenteil fest. Durch die Detonation hatte sich eine starke Hitze entwickelt; Marina Jovanovic glaubte zu verglühen. Sie lag von den drei Mädchen am weitesten oben auf dem schräg im Wasser liegenden Brückenteil. Etwa einen Meter unter ihr lag Marijana Stojanovic und versuchte, sich krampfhaft festzuhalten. Einen weiteren Meter von ihr entfernt lag Sanja Milenkovic, die sich am Brückengeländer festhielt und anfangs entsetzlich schrie. Die beiden Mädchen konnten sehen, daß Sanja Milenkovic bei Bewußtsein war, schwer atmete, aber nicht mehr sprechen konnte. Sie hatte die Augen geöffnet und schaute in die Richtung der Mädchen, verlor kurzzeitig auch das Bewußtsein. Sie lag auf dem Bauch mit dem Gesicht zur Brücke und blutete stark an den Beinen. Die Mädchen verharrten in diesem Zustand ca. 5 Minuten bis zur Detonation 2 weiterer Raketengeschosse. Wieder entwickelte sich eine starke Hitze, eine große dunkle Staubwolke stieg auf und die Augen brannten. Marijana Stojanovic glaubte, am lebendigen Leibe zu verbrennen. Aufgrund der erneuten Detonation konnte sich Sanja Milenkovic nicht mehr halten. Sie rutschte auf dem schräg im Wasser liegenden Brückenteil weg und blieb halb im Wasser der das Brückenende überspielenden Morava liegen. Dort wurde die im Wasser liegende Brücke durch die starke Strömung der Morava überspült. Marina Jovanovic hatte Angst, daß Sanja Milenkovic ertrinken würde und rutschte nun, obwohl selbst schwerverletzt, auf Ellenbogen gestützt, bis zu der mit dem Kopf halb im Wasser liegenden Sanja Milenkovic herunter. Marina Jovanovic stand nun bis zur Hüfte im Wasser und hielt den Kopf von Sanja Milenkovic fest, damit dieser nicht unter Wasser geriet. Aus ihrem mitgeführten Rucksack zog sie eine Wasserflasche, aus der sie Sanja Milenkovic zu trinken gab und mit Wasser begoß, um sie bei Bewußtsein zu halten. Bevor die 3 Mädchen von der zerstörten Brücke auf dem stadtauswärtigen Ufer geborgen werden konnten, verging ca. 1 Stunde. Der Transport der schwerverletzten Mädchen in das nur zwei Kilometer entfernte Krankenhaus in Varvarin war durch die Brückenzerstörung unmöglich, so daß sie in das ca. 70 Kilometer entfernte Krankenhaus in Krusevac transportiert werden mußten. Der mögliche Einsatz von Rettungshubschraubern kam wegen der Gefahren durch die Kampfflugzeuge der NATO im Luftraum der Bundesrepublik Jugoslawien nicht in Betracht. Als Sanja Milenkovic endlich mit einem Brett von der völlig zerstörten Brücke in den inzwischen eingetroffen Krankenwagen verbracht wurde, war sie noch am Leben und bei Bewußtsein. Die Augen waren offen und bewegten sich, an den Bewegungen des Brustkorbes war für den Arzt und für die inzwischen anwesende Mutter, Frau Vesna Milenkovic, erkennbar, daß das Mädchen atmete. Frau Vesna Milenkovic sprach ihre Tochter immer wieder an, an den Bewegungen der Augen, ihrem schmerzverzehrten Gesicht und den Versuchen mit der Mutter zu sprechen konnte sie erkennen, daß ihre Tochter bei Bewußtsein ist. Den ca. 70 Kilometer langen Krankentransport hat Sanja Milenkovic noch lebend überstanden. Während des Transports fiel sie mehrfach kurzzeitig in Ohnmacht, kam aber immer wieder zu Bewußtsein. Der Blutverlust war inzwischen sehr hoch. Der Körper von Sanja Milenkovic war von Splittereinschlägen übersät. Große Wunden wurden an den Beinen und am Rücken festgestellt. Ein Splitter war in den Kopf eingedrungen. An verschiedenen Körperteilen befanden sich Verbrennungen, ihre Bekleidung war fast vollständig verbrannt, ihre Sportschuhe verkohlt. Kurz nach dem Eintreffen im Krankenhaus in Krusevac erlag das fünfzehnjährige Mädchen Sanja Milenkovic ihren schweren Verletzungen. b) Die damals fünfzehnjährige Geschädigte Marijana Stojanovic erlitt durch die Bombardierung schwere Verletzungen. Im einzelnen wird auf die Sachverhaltsausführungen unter a) Bezug genommen. Insgesamt 17 Splitter drangen in ihren Körper ein, die schwersten Splitterverletzungen wurden ihr am rechten Bein, am rechten Arm und im Schulterbereich zugefügt. Drei Splitter durchschlugen dem Bauchraum, führten jedoch entgegen erster Befürchtungen der Ärzte nicht zu inneren Organverletzungen. Während ihres dreiwöchigen Aufenthalts im Krankenhaus in Krusevac wurden fast alle Splitter operativ entfernt, sieben Monate trug sie eine Fixierung am rechten Arm. Ein Splitter befindet sich noch im rechten Arm, der bisher nicht operativ entfernt wurde, weil die Ärzte befürchten, dabei einen Hauptnerv zu verletzen. Das Risiko einer weiteren Schädigung des Arms, dessen Gebrauchsfähigkeit ohnehin schon stark gemindert ist, erscheint derzeit zu hoch. Der Splitter verursacht ständige Schmerzen. Ob eine weitere Operation durchgeführt wird, ist bisher noch nicht entschieden. Auch sind die Folgeschäden diesbezüglich noch nicht abzusehen. Tatsache ist, daß sie mit dem rechten Arm nicht mehr tragen kann. Die völlige Wiederherstellung des Arms ist ausgeschlossen. Durch die Splitterverletzungen sind außerdem eine Vielzahl von enstellenden Narben auf dem Körper der jungen Frau verblieben. Marijana Stojanovic ist durch das Ereignis psychologisch geschädigt. So wird sie auch zwei Jahre nach der Bombardierung noch immer in einen Schockzustand bei lauten Geräuschen (Flugzeuggeräusche, Motorengeräusche, plötzlich auftretende Knallgeräusche) versetzt. Sie gibt an, auch heute noch fast täglich "die Situation zu durchleben". Sie wacht nachts schweißgebadet auf, weil sie das Ereignis immer wieder im Traum erlebt. In der Schule hat sie große Konzentrationsschwierigkeiten, ihrer Leistungen sind zurückgegangen. Sie gibt an, daß " dieses Erlebnis ihre Jugend gestohlen hat, sie eine große Last spürt, als wäre sie schon viel älter ". Zweimal monatlich hat sie depressive Phasen, die dann mehrere Tage andauern und es ihr unmöglich machen, den normalen Alltag zu bewältigen. Auch bezüglich der psychologischen Schäden sind die Folgeschäden noch nicht zu übersehen. Eine spürbare Verbesserung dieses Zustands ist auch zwei Jahre nach der Bombardierung nicht eingetreten. c) Bei der Geschädigten Marina Jovanovic wurde ein offener Bruch des rechten Unterschenkels und des Mittelfingers der linken Hand festgestellt, insgesamt 66 Splitter drangen in ihren Körper ein. Zwei der Splitter steckten zwischen dem 6. und 7. Halswirbel, große offene Wunden waren auf dem Rücken und der Innenseite des Oberschenkels. Zehn der insgesamt 66 Splitter sind auch zwei Jahre nach der Bombardierung noch in ihrem Körper, im Brustkorb, in den Beinen, im Nacken und dem Rücken. Eine operative Entfernung ist mit hohen Risiken verbunden. Ob weitere Operation stattfinden werden, ist bis heute noch nicht entschieden. Eine besonders große Narbe befindet sich auf dem Rücken, der von einem fast 1 Kilo schweren Splitter verursacht wurde. Dieser Splitter blieb in ihrem Rucksack stecken, der sie so vor schwereren Verletzungen, vielleicht sogar vor dem Tod schützte. Es gab viele kleine Wunden und Verbrennungen auf dem ganzen Körper. Auf dem gesamten Körper sind außerdem entstellende, große Narben verblieben, teilweise in der Größe einer Faust. Die Folgeschäden sind insgesamt noch nicht zu übersehen. Die Geschädigte kann kein Sport mehr treiben. Das Bein ist nicht mehr vollständig belastbar, körperliche Arbeiten sind völlig ausgeschlossen. Aufgrund der lebenslang bleibenden Verletzungen sind die beruflichen Perspektiven sehr gering. Der Invalidisierungsgrad beläuft sich auf 70 Prozent. Wegen der psychologischen Beschwerden ist die Geschädigte in regelmäßiger, ärztlich- therapeutischer Behandlung. Auch hier sind die Folgeschäden noch nicht absehbar. 2.1. 2. schwerverletzte Personen am Ufer der Morava (1. Angriffswelle) d) Der Geschädigte, heute 45jährige Predrag Macic stand zum Zeitpunkt des ersten Angriffs am stadtauswärtigen Ufer der Morava und angelte, ca. 20 Meter flußabwärts von der Brücke entfernt, als er plötzlich Flugzeuggeräusche hörte. Unmittelbar danach detonierten bereits die abgefeuerten Raketen. Infolge der Druckwelle wurde er mehrere Meter durch die Luft geschleudert. Es entwickelte sich eine starke Rauchwolke, es wurde dunkel und heiß. Das Wasser der Morava sah aus, als ob es kochte. Ein Baum stürzte auf ihn. Für einen Moment war er bewußtlos, als er zu sich kam, lief er weg. Nachdem er sich etwa 100 Meter von der Brücke weggeschleppt hatte, erfolgten zwei weitere Detonationen. Wieviel Zeit seitdem vergangen war, kann er nicht sagen, er stand unter Schock. Predrag Macic erlitt eine Vielzahl von Splitterverletzungen. 8 der Splitter befinden sich auch zwei Jahre nach der Bombardierung noch in seiner linken Hüfte. Sie wurden bisher nicht operativ entfernt, weil die Ärzte ein hohes Risiko sehen. Es ist bisher nicht endgültig entschieden, ob weitere Operationen durchgeführt werden. Die Folgeschäden sind bisher nicht in vollem Umfang zu überschauen. Die Wunden am Körper, die durch die Splitter verursacht wurden, haben starke Verbrennungen herbeigeführt. Das linke Bein wird ein bis zweimal täglich kalt und er kann es dann für mehrere Stunden nicht mehr bewegen. Der Geschädigte ist seit dem stark gehbehindert, schwere Arbeit kann er nicht mehr ausführen. Wie sich diese Gehbehinderung entwickeln wird, ist derzeit noch nicht absehbar. Seit diesem Bombardierungsfall ist auch sein Sehvermögen stark zurückgegangen. Er ist außerdem psychisch gestört. Er hat Schlafstörungen, nachts "finden die Explosionen in seinem Kopf statt". Wenn der Geschädigte von den Explosionen träumt, bekommt er Erstickungsanfälle. Die behandelnden Ärzte hatten die Einnahme von Medikamenten verschrieben, die er jedoch nicht nehmen kann, weil ihm dazu die finanziellen Mittel fehlen. e) Der Geschädigte, heute 46jährige Dragolub Arsentjetvic, stand - ebenfalls zum Angeln - ca. 5 Meter neben dem vorgenannten Geschädigten Predrag Macic am Ufer der Morava, etwa 25 Meter flußabwärts von der Brücke entfernt. Auch er wurde in der ersten Angriffswelle verletzt. Er zog sich am ganzen Oberkörper Schürfwunden und Schnittwunden, sowie Verbrennungen an den Beinen zu. Eine große Narbe verblieb auf der Stirn. Operativ wurden Splitter aus dem linken Bein entfernt. Durch die Detonation sind beide Trommelfälle geplatzt, das linke Ohr ist auf Dauer zu 30 Prozent hörgeschädigt, wobei weitere Hörbeeinträchtigungen erwartet werden. Bei lauten Geräuschen reagiert der Geschädigte schreckhaft. Aufgrund der Beinverletzung kann er den Beruf als Vulkaniseur nicht mehr vollständig ausüben. Er ist gehbehindert mit der Tendenz der weiteren Verschlechterung. Die Folgeschäden sind auch hier noch nicht in vollem Umfang absehbar. f) Der Geschädigte, heute 42jährige Miroljub Brakovic angelte zum Zeitpunkt des ersten Angriffs am stadtauswärtigen Ufer der Morava, etwa 5 Meter von dem Geschädigten Dragolub Arsentjevic und ca. 30 Meter flußabwärts von der Brücke entfernt. Der Geschädigte nahm weder Flugzeuggeräusche noch Raketengeräusche wahr. Unmittelbar nach der Detonation spürte er einen starken Schlag im Gesicht, danach wurde er sofort ohnmächtig. Nachdem er wieder zu sich gekommen war, merkte er, daß das Wasser der Morava heiß war. Er schleppte sich instinktiv einige Meter weg und bekam mehr im Unterbewußtsein nach einiger Zeit die Detonationen der 2. Angriffswelle mit. Der Geschädigte wurde von mehreren Splittern getroffen. Die folgenreichste Verletzung befindet sich am Kopf. In der linken Gesichtshälfte zwischen Mundwinkel und Nase durchschlug ein Splitter den Oberkiefer, danach den Kopf im unteren Bereich und blieb etwa 1,5 cm neben der Halswirbelsäule stecken. Dieser Splitter konnte bis zum heutigen Tage wegen der damit verbundenen Risiken nicht entfernt werden. Der Geschädigte hat bereits mehrere Operationen hinter sich, dabei wurden mehrere Splitter operativ entfernt. Am linken Oberarm verursachte ein Splitter eine tiefe Fleischwunde, die eine Narbe von ca. 6 cm Länge und 2 cm Breite hinterlassen hat. Ein Durchschuß befindet sich am rechten Oberschenkel mit bleibenden, großen Narben. Über weitere Operationen ist noch nicht entschieden worden. Mit weiteren, noch nicht absehbaren Folgeschäden wird gerechnet. Tatsache ist, daß der Geschädigte unter ständigen Ohnmachtsanfällen leidet, so z. B. dann, wenn er schnell seinen Kopf bewegt oder wenn Personen auf der Straße an ihm vorbei rennen oder Fahrzeuge vorbeifahren. Der Geschädigte kann kein Kraftfahrzeug mehr führen, weil Ohnmachtsanfälle drohen. Wenn er als Beifahrer in einem Kraftfahrzeug mitfährt, werden Schwindelgefühle und Ohnmachtsanfälle ausgelöst. Seinen Beruf als Oberkellner kann er praktisch nicht mehr ausüben. Körperliche Belastungen muß er vermeiden, wenn er mehrere Minuten auf den Beinen war, muß er längere Zeit sitzen, um sich wieder zu erholen. Er verspürte ständig Schmerzen in dem verletzten Bein, bei Wetterwechsel spürt er die Narben. Es besteht die Gefahr, daß der an der Wirbelsäule sitzende Splitter zu einer Teillähmung führt. 2 2. Getötete und schwer verletzte Personen (2. Angriffswelle) Im Gegensatz zur 1. Angriffswelle, der Zivilpersonen auf der Brücke und am stadtauswärtigen Ufer zum Opfer fielen, wurden durch den Raketenbeschuß der NATO Kampfflugzeuge in der 2. Angriffswelle nunmehr Zivilpersonen ausschließlich am stadtseitigen Ufer getötet und verletzt. Bei den Opfern der 2. Angriffswelle handelt es sich ausschließlich um Zivilpersonen, die sofort nach der 1. Angriffswelle mit der Absicht zu der zerstörten Brücke eilten, 1. Hilfe zu leisten. Ihre Absicht zur Hilfeleistung bezahlten sie mit ihrem Leben und ihrer Gesundheit. Mit dem Abschuß zwei weiterer NATO Raketen wurden 7 Hilfeleistende zu Tode und 12 Hilfeleistende zu Krüppeln gebombt: g) Der damals 68jährige Geschädigte Bozidar Dimitrivic war gegen Mittag des 30. Mai 1999 auf den Markt in Varvarin zum Einkaufen gegangen. Er befand sich etwa 100 Meter von der Brücke entfernt, als es plötzlich zu einer heftigen Detonation aus Richtung der Brücke kam. Eine große schwarze Rauchwolke stieg auf. Auf dem Markt brach Panik aus. Die Menschen versteckten sich unter den aufgestellten Tischen, viele rannten kopflos weg. Neben ihm stand der später getötete Stojan Rictic und Tola Apostolovic, mit denen Bozidar Dimitrivic sofort nach der Detonation zur Brücke rannte, um zu helfen. An der Brücke angekommen, stellte er fest, daß die Brücke zerstört war. Im Fluß entdeckte er ein Auto, in dem 2 Personen waren. Diesen Personen wollten sie helfen und kletterten deshalb die Böschung zur Morava herunter. Bozidar Dimitrivic hatte mit seinen Begleitern den Fluß wegen der steilen Uferböschung noch nicht erreicht, als es bereits die 2. Detonation gab. Die Druckwelle warf ihn in die Büsche. Es war so heiß, daß er glaubte, zu verbrennen. Um ihn herum flogen Menschen durch die Luft. Ein anderer viel über ihn. Die Gedärme eines Menschen wickelten sich um ein Fahrrad. Der Geschädigte sah noch, wie der Kopf des Priesters von seinem Körper abgerissen wurde und durch die Luft flog. Der Geschädigte war benommen, er stand unter Schock. Erst nach einiger Zeit stellte er fest, daß alle Finger und der Daumen der linken Hand abgerissen waren, das linke Bein wurde durch Splitter völlig zerfetzt, der Oberschenkel ist in einer Länge von 30 und einer Breite von ca. 20 Zentimetern durch Splitter aufgerissen worden. Der Geschädigte wurde während seines zunächst dreimonatigen Aufenthalts im Krankenhaus in Krusevac viermal an den Beinen operiert, mehrere Transplantationen (Sehnen und Haut) mußten vorgenommen werden. Im Jahr 2000 wurden zwei weitere Operationen an den Beinen ausgeführt. Der Invalidisierungsgrad des Geschädigten liegt bei 80 Prozent. Er ist stark gehbehindert und zu körperlicher Arbeit nicht mehr in der Lage. Infolge des Ereignisses hat auch das Sehvermögen stark nachgelassen, er benötigt nun eine Brille, dessen käuflicher Erwerb ihm aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage nicht möglich ist. Er ist ständig auf Schmerztabletten angewiesen, um die Schmerzen in der verkrüppelten Hand und in dem geschädigten Bein zu lindern. Eine weitere Operation am Bein steht eventuell an. Die Folgeschäden sind bisher noch nicht in vollem Umfang zu übersehen. Seine berufliche Tätigkeit als Bauer kann er nicht mehr ausüben. Er lebt heute von der "Hand in den Mund". h) Der damals 74jährige später getötete Tola Apostolovic lief gemeinsam mit dem vorgenannten Geschädigten Bozidar Dimitrivic und dem später getöteten Stojan Ristic nach der 1. Angriffswelle zu der zerstörten Brücke, um Hilfe zu leisten. Er wurde durch die in der 2. Angriffswelle abgeschossenen Raketen an der Brücke getötet. Der Tod trat durch Verblutung ein. Der medizinische
Bericht zur Feststellung der Todesursache liegt uns vor. |
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i) Der damals 56jährige später getötete
Stojan Rictic lief gemeinsam mit dem vorgenannten Geschädigten
Bozidar Dimitrivic und dem vorgenannten getöteten Tola Apostolovic
nach der 1. Angriffswelle zu der zerstörten Brücke, um Hilfe zu
leisten. Er wurde durch die in der 2. Angriffswelle abgeschossenen Raketen
an der Brücke getötet. Der Tod trat durch Verbluten ein. Der
medizinische Bericht zur Feststellung der Todesursache liegt uns vor. |
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j) Der damals 54jährige später schwerverletzte Slobodan Ivanovic befand sich zum Zeitpunkt der 1. Angriffswelle auf dem Markt, ca. 100 Meter von der Brücke entfernt. Nach der Detonation lief er zur Brücke, um zu helfen. An der Brücke angekommen sah er einen roten Pkw in der Morava liegen, in dem sich zwei Personen befanden. Er sah außerdem die drei Mädchen, die an dem stadtauswärtigen Brückenteil hingen. Menschen schrien um Hilfe. Er wußte nicht, wem er zuerst helfen sollte und entschied sich dann, einen jungen Mann zu retten, der am stadtseitigen Uferbereich im Wasser lag. Er kletterte die Uferböschung herunter und zog den verletzten Mann aus dem Wasser, als wieder zwei Raketengeschosse detonierten. Aufgrund der Druckwelle ließ er den verletzten Mann fallen und wurde selbst niedergeworfen. Er lag unterhalb der Straße und sah Menschen durch die Luft fliegen. Er wollte aufstehen und versuchte, sich mit seiner rechten Hand abzustürzen. Das aber ging nicht, die Hand war völlig zerfetzt, später mußte sie - einschließlich eines Teils des Unterarms - amputiert werden. Auch das linke Bein war durch Splitter verletzt, der Hauptmuskel war durchtrennt worden. Der Geschädigte zog sich Verbrennungen zu, außerdem verlor er 30 Prozent seines Hörvermögens. Mehrere Operationen wurden durchgeführt und mehrmonatige Rehabilitationsmaßnahmen eingeleitet. Der Invalidisierungsgrad liegt bei ca. 80 Prozent. Er ist arbeitsunfähig, Dauerbelastungen jeglicher Art sind unmöglich. Nach eineinhalb Jahren konnte er wieder ohne fremde Hilfe laufen. Die Folgeschäden sind noch nicht in vollem Umfang absehbar. Nach wie vor wird er von Schmerzen im Bein und in der Hand geplagt. k) Der damals 26jährige später Geschädigte Aleksandar Mijatovic befand sich gemeinsam mit seinem Freund, dem später getöteten Zoran Marinkovic während der Detonationen der 1. Angriffswelle in der Innenstadt von Varvarin. Nach der Detonation fuhren sie sofort mit dem Motorrad zur Brücke, um Hilfe zu leisten. Sie waren kaum vom Motorrad abgestiegen, hatten gerade die zerstörte Brücke und einen im Fluß liegenden roten Pkw wahrgenommen, als es zu einer weiteren Detonation kam. Während der unmittelbar neben dem Geschädigten stehende Freund sofort tot war, wurde Aleksandar Mijatovic schwerverletzt. Ein Splitter durchschlug den Rücken und blieb unmittelbar an der Wirbelsäule stecken. In einer Spezialklinik in Belgrad wurde versucht, die Splitter operativ zu entfernen. Das ist jedoch nicht möglich ohne eine Lähmung der Beine herbeizuführen. Der Splitter befindet sich nun noch immer zwei Jahre nach der Schädigung unmittelbar an der Wirbelsäule. Die Gefahr einer Lähmung besteht auch ohne Operation akut. Rehabilitationsmaßnahmen wurden eingeleitet. Über eine weitere Operation ist noch nicht entschieden. Die Folgeschäden sind insofern noch nicht absehbar. Er kann kein Sport mehr betreiben, es ist ihm alles verwehrt, was ein junger Mensch in seinem Alter normalerweise tut. Er ist völlig arbeitsunfähig und kann nicht einmal geringste körperliche Arbeiten verrichten. Besonders extrem gestalten sich die psychologischen Folgen für den Geschädigten. Latente Angstzustände und periodisch wiederkehrende Alpträume, in denen er die Bombardierung immer wieder erlebt, kennzeichnen sein Leben. Er träumt immer wieder von dem Tod seines besten Freundes, den er miterleben mußte und "von all dem entsetzlichen Grauen an der Brücke". Er wird von ständigen Depressionen geplagt. Der Geschädigte gibt selbst an, daß sich dieser Zustand in den letzten zwei Jahren verschlechtert hat. Auch hier ist nicht absehbar, wie diese Schäden zu therapieren und welche Veränderungen zu erwarten sind. Für den heute 27jährigen sind alle Hoffnungen auf ein sinnerfülltes Leben im wahrsten Sinne des Wortes gestorben. Er sieht keinen Sinn mehr in seinem Leben. l) Der damals 33jährige später getötete
Zoran Marinkovic wurde durch die Raketengeschosse der 2.
Angriffswelle getötet. Hinsichtlich der Sachverhaltsdarstellung wird auf
die Schilderung unter k) Bezug genommen. In dem uns vorliegenden
medizinischen Bericht zur Feststellung der Todesursache heißt es, daß
der Bauch, das große und das kleine Schlüsselbein völlig vernichtet
wurden. Das linke Bein und der linke Oberschenkel waren nicht mehr mit dem
Körper verbunden. Die Bauchorgane waren völlig zerrissen und gemischt
mit der zerrissenen Haut, mit Knochenteilen und inneren Organen. Die Haut
der Leiche sowie die Reste des Bauches waren teilweise mit einer schwarzen
fettigen Masse beschmiert. Der Tod ist gewalttätig und sofort nach Zerstörung
der Organe durch Verblutung eingetreten. |
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m) Der damals 28jährige später Geschädigte Predrag Milosevic befand sich zum Zeitpunkt der 1. Angriffswelle in der nur ca. 120 Meter von der Brücke entfernten Kirche. Aufgrund der gewaltigen Detonation flogen die Fenster der Kirche heraus, mit anderen Gläubigen rannte er aus der Kirche heraus. Gemeinsam mit den beiden Priestern, dem später getöteten Milivoje Ciric und dem später verletzten Tomislav Gajic rannte er zur Brücke, um Hilfe zu leisten. Als er mit den Priestern an der Brücke ankam sah er, daß die Brücke zerstört war und im Wasser lag. Im Fluß lag ein Auto, in dem sich noch Personen befanden und drei Mädchen konnte er ausmachen, die sich an der im Wasser liegenden Brückenkonstruktion krampfhaft festhielten. Von der Kirche und vom Markt kamen Leute zur Brücke gerannt, um zu helfen. Er wußte nicht, wem er zuerst helfen sollte. Zu den Mädchen konnte er nicht gelangen, denn die Brücke lag im Wasser. Er stand mit dem Rücken zur Brücke, als er ein lautes Zischen und weitere Detonationen hörte. Er hatte keine Chancen noch etwas zu tun, unmittelbar nach dem Zischen folgten auch schon die Detonationen. Zwischen den Detonationen der 1. Angriffswelle und denen der 2. Angriffswelle waren nach seiner Schätzung ca. 4 bis 5 Minuten vergangen. Durch die Druckwelle wurde er umgerissen. Nachdem er einige Zeit später wieder zu sich kam stellte er fest, daß sein linkes Bein fast abgerissen war. Es hing nur noch an Hautfetzen. Es roch nach verbrannten Fleisch und er blutete stark. Neben ihm lag regungslos sein Freund Goran Veskovic. Er schrie um Hilfe und kroch die Straße hinauf. Später wurde er im Krankenhaus Krusevac operiert. Es war eine schwere Operation, er hatte die Ärzte im Krankenhaus angefleht, sein Bein nicht zu amputieren, weil es noch an einigen Hautfetzen hing. Die Operation ist geglückt. Er hat 146 Tage im Bett verbringen müssen. Das Bein hatte eine spezielle Metallkonstruktion/Fixierung erhalten, die Knochen wurden verschraubt, damit sie wieder zusammenwachsen. Nach dreieinhalb Monaten durfte er das erste Mal aufstehen, um mit dem Lauftraining zu beginnen. Anfangs fiel er dabei ständig in Ohnmacht. Die Schmerzen waren über Monate unerträglich, so daß sie nur mit starken Schmerztabletten etwas gelindert werden konnten. Auch zwei Jahre nach der Bombardierung leidet er unter ständigen Schmerzen im Bein und ist täglich auf Schmerztabletten angewiesen. Insgesamt zwei Rehabilitationsmaßnahmen hat der Geschädigte hinter sich, die erste dauerte 140 Tage, die 2. 40 Tage. Eine dritte Rehabilitationsmaßnahme steht noch aus. Das Bein des Geschädigten ist nun vier Zentimeter kürzer, mit weiteren Folgeschäden wird gerechnet, insbesondere Auswirkungen auf die Wirbelsäule und Füße werden nicht ausbleiben. Er ist stark gehbehindert, eine Belastung des Beins länger als 15 Minuten ist nicht möglich, dann läuft es blau an und "stirbt ab". Jede körperliche Arbeit ist ihm unmöglich geworden. Der Geschädigte ist nicht mehr in der Lage, ein Kraftfahrzeug zu führen. Sein linkes Bein hat dafür nicht mehr die erforderliche Beweglichkeit. Es wäre möglich, daß er mit einer speziellen Behindertensteuerung ein Kraftfahrzeug führen könnte, dafür fehlt ihm jedoch das Geld. Er benötigt im Jahr drei Paar orthopädische Schuhe, die er jedoch nicht bezahlen kann. Durch die Detonationen wurden auch die Sehnen am Knie beschädigt. Die Behandlungen dauern an. Weiterhin wurde sein Hörvermögen um ca. 30 Prozent gemindert. Die Ärzte rechnen diesbezüglich mit einer weiteren Verschlechterung. Der Geschädigte ist seit zwei Jahren arbeitsunfähig krank geschrieben. Er war bis zu der Bombardierung als gelernter Schneider in einer Textilfabrik tätig. Die psychologischen Auswirkungen sind erheblich. Der Geschädigte leidet unter Angstzuständen, Panikanfällen, Depressionen und erheblichen Schlafstörungen, er kann nachts nicht ohne Licht schlafen. Um den Angstzuständen und Panikanfällen vorzubeugen, läßt er auch nachts Fernsehen oder Radio laufen, Ruhe und Dunkelheit versetzen ihn in Panik. Wenn er überhaupt schläft, dann träumt er von der Bombardierung. Er erschrickt sich "zu Tode", wenn er laute Geräusche vernimmt. Er gibt an, daß Lachen verlernt zu haben. Noch gravierender ist, daß er den Lebensmut verloren hat. Er sieht keine Perspektive mehr in seinem Leben, er weiß nicht, was aus seiner Familie werden, wie er sie ernähren soll. Insgesamt sind die Folgeschäden auch zwei Jahre nach der Bombardierung nicht endgültig überschaubar und abschließend zu prognostizieren. n) Der damals 76jährige später getötete
Priester der Gemeinde Varvarin Milivoje Ciric rannte
nach der ersten Detonation gemeinsam mit seinem Amtsbruder Tomislav
Gajic, dem vorgenannten Geschädigten Predrag Milosevic und der
Geschädigten Mirjana Nesic zur Brücke, um Hilfe zu leisten. Es
wird insoweit auf die Sachverhaltsausführungen unter m) und y) Bezug
genommen. Er wurde durch die in der 2. Angriffswelle abgefeuerten
Raketengeschosse getötet. Der Kopf des Priesters wurde durch
umherfliegende Splitterteile vom Rumpf des Körpers gerissen. Sein
Amtskollege Tomislav Gajic stand in diesem Moment unmittelbar neben
ihm. In einer uns vorliegenden Zeugenvernehmung sagte er vor dem
Ermittlungsrichter aus, daß ihm das Gehirn seines Amtskollegen in das
Gesicht geschleuderte wurde. |
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o) Der damals 22jährige später Geschädigte Milan Mitrovic war, nachdem er in der Kirche von Varvarin am Fest der Heiligen Dreifaltigkeit teilgenommen hatte, gemeinsam mit Freunden, so u. a. mit dem später Geschädigten Goran Stojanovic in ein von der Brücke ca. 500 Meter entferntes Café gegangen. Sie hatten gerade Getränke bestellt, als es zu den Detonationen der 1. Angriffswelle kam. Die Fenster zersplitterten, aus Richtung Brücke stieg ein großer Rauchpilz auf. Er entschloß sich gemeinsam mit seinem Freund Goran Stojanovic zur Brücke zu laufen, um zu helfen. Unmittelbar nach Ankunft an der Brücke kam es bereits zu der 2. Angriffswelle. Infolge der Detonationen wurde der Geschädigte durch die Druckwelle umgeworfen, sein rechtes Bein wurde ab dem Knie durch Splitter völlig zerfetzt. Das Schienbein hatte sich gelöst und trat aus dem Oberschenkel heraus. An der linken Schulter erlitt er eine tiefe Fleischwunde mit einem Durchmesser von ca. 15 cm. Auf dem ganzen Körper verteilt hat er Verbrennungen erlitten. Auf dem rechten Oberarm befindet sich eine große Narbe (Verbrennung) im Durchmesser von etwa 9 Zentimetern, insgesamt 7 Narben (Verbrennungen) befinden sich auf dem Brustkorb. Durch die operativen Eingriffe (bisher 2 Operationen) konnte das Bein gerettet werden, aber es ist jetzt 4 ½ Zentimeter kürzer. Der Invaliditätsgrad des Geschädigten liegt bei 80 Prozent. Weitere Operation stehen an, wann diese erfolgen werden ist noch nicht entschieden worden. Der Fuß ist nach innen verdreht, der Geschädigte kann den Bewegungsablauf seines Beins nicht steuern. Er hat nach wie vor erhebliche Schmerzen und ist ständig auf Schmerztabletten angewiesen. Mit den anstehenden weiteren Operationen soll eine Streckung des Beins erfolgen. Welche Folgeschäden aufgrund der erlittenen Verletzung letztlich eingetreten sind, können die Ärzte voraussichtlich erst in zwei Jahren endgültig bestimmen. Der Geschädigte gibt an, daß am 30. Mai 1999 wesentlich mehr Menschen als zu gewöhnlichen Markttagen in Varvarin waren. Wegen des kirchlichen Feiertags (Fest der Heiligen Dreifaltigkeit) kamen die Menschen aus allen Ortschaften nach Varvarin. Der Geschädigte geht von mehreren 1000 Menschen aus, die zum Zeitpunkt der Bombardierung in der Stadt waren. Wie auch alle anderen Zeugen und Geschädigten gibt auch Herr Milan Mitrovic an, daß in Varvarin zu keinem Zeitpunkt Militär stationiert war und auch keine Truppenbewegungen stattgefunden haben. Das schließt der Geschädigte auch für den 30. Mai 1999 aus, denn an diesem Tag war er selbst in der Stadt. Etwa 20 Kilometer von Varvarin entfernt war eine militärische Einheit stationiert. p) Der damals 22jährige Geschädigte Goran Stojanovic wurde ebenfalls durch die Raketen der 2. Angriffswelle schwerverletzt. Er war mit seinem Freund, Miroslav Dakic, zur Brücke gelaufen, um Hilfe zu leisten. Es wird insofern Bezug auf die Sachverhaltsdarstellung unter o) genommen. Der Geschädigte ist von einer Vielzahl von Splittern am gesamten Körper getroffen worden. Diese wurden operativ entfernt. Die schwerste Verletzung erlitt er am rechten Arm. Es mußten Sehnen in den Arm verpflanzt werden. Der Invalidisierungsgrad liegt bei 40 Prozent. Weitere physiotherapeutische Behandlungen und Rehabilitationsmaßnahmen sind erforderlich. Der Arm ist nicht mehr vollständig zu bewegen, der Normalzustand nicht mehr herzustellen. Der Geschädigte war bis zu der Bombardierung als Arbeiter in einer Landwirtschaftsfabrik beschäftigt. Er ist seit der Schädigung krankgeschrieben. Den Arm kann er nicht mehr belasten und somit auch seine ursprüngliche Arbeit nicht mehr ausüben. Über den Umfang der Folgeschäden können die Ärzte frühestens in ein bis zwei Jahren endgültig Auskunft geben. q) Der damals 42jährige später Geschädigte Miroslav Dakic befand sich zum Zeitpunkt der 1. Angriffswelle in der Nähe des Marktes, ca. 50 Meter von der bombardierten Brücke entfernt. Durch die Druckwelle wurde er zu Boden gerissen, jedoch zunächst nicht verletzt. Nachdem er wieder aufgestanden war, kam jemand und forderte ihn auf mit zur Brücke zu kommen, weil es dort Tote und Verletzte gegeben habe. An der Brücke angekommen sah er die drei Mädchen, die sich auf der anderen Seite an die eingestürzte Brücke klammerten und laut schrien. Plötzlich rief jemand: " Die Flugzeuge kommen wieder, sie kommen im Tiefflug! ". Er konnte die Flugzeuge selbst nicht sehen, weil er sofort versuchte, sich unter ein parkendes Auto zu werfen. Das gelang ihm aber nicht mehr, plötzlich kam es zu zwei fast gleichzeitigen Detonationen. Durch die Druckwelle wurde er weggeschleudert. Nachdem er aus der Ohnmacht erwachte stellte er fest, daß sein linkes Bein völlig verdreht war und eine große offene Wunde hatte. Zwei große Verletzungen erlitt er auch am linken Unterarm. Die Notoperation folgte dann Stunden später im Krankenhaus in Krusevac. Die dortigen Ärzte wollten zunächst, daß die Operation in einer Spezialklinik in Belgrad durchgeführt wird. Der Transport hätte mit einem Hubschrauber erfolgen müssen, er wurde aber nicht eingesetzt wegen der Gefahren, die von den NATO Flugzeugen ausgingen. Der Geschädigte war zwei Monate in stationärer Behandlung. Es wurden Knochentransplantationen und Hauttransplantationen durchgeführt. Das Bein ist jetzt 4 1/2 Zentimeter kürzer als zuvor. Der Invalidisierungsgrad liegt bei 60 Prozent. Der Heilungsprozeß ist instabil, die Knochen sind bisher nicht richtig zusammengewachsen. Der Geschädigte befand sich nochmals zwischen Anfang Oktober 1999 bis Mai 2001 und wieder im Dezember 2000 für weitere drei Wochen im Krankenhaus. Endgültige Aussagen über die Folgeschäden sind derzeit noch nicht möglich. Es stehen auch eventuell weitere Operationen an. Der Geschädigte war bis zu der Bombardierung als privater Landwirt tätig. Diese Tätigkeit kann er nun nicht mehr ausüben, seine Verluste in der Landwirtschaft sind erheblich. Er lebt "von der Hand in den Mund". Außerdem hat der Geschädigte ein Gehörschaden erlitten, dessen Umfang derzeit noch nicht genau feststeht. Außerdem treten seit der Bombardierung Gedächtnislücken auf. Die Zähne sind brüchig geworden und fallen aus. Die Ärzte führen das auf die psychologischen Folgen zurück. r) Der damals 25jährige später getötete
Milan Savic war gegen 10:00 des 30. Mai 1999 auf den Markt in
Varvarin zum Einkaufen gegangen. Er wurde unmittelbar nach der 2.
Angriffswelle tot am stadtseitigen Ufer der Brücke gefunden. Es steht völlig
außer Zweifel, daß auch er infolge des Raketenbeschusses getötet wurde.
In dem hier vorliegenden medizinischen Bericht zur Feststellung der
Todesursache wird ausgeführt, daß das Schlüsselbein zerschmettert
wurde. In der offenen Wunde sah man die Teile der zerrissenen Bauchorgane,
Muskelgewebe, Teile von Haut und Knochen. Der Oberschenkel war völlig
zerschmettert. Das Schienbein war von dem restlichen Körper abgetrennt.
Der Tod ist nach Zerstörung der lebenswichtigen Bauchorgane, des
Oberschenkels und der Blutgefäße durch Verblutung eingetreten. |
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s) Der damals 30jährige später getötete
Vojkan Stankovic befand sich gemeinsam mit seiner Ehefrau und
seinem Kind zum Zeitpunkt der Detonationen in der 1. Angriffswelle in
seiner Wohnung ca. 300 Meter von der Brücke entfernt. Nach den ersten
Detonationen verließ er das Haus und lief zur Brücke, um zu helfen. Dort
wurde er durch die Raketen der 2. Angriffswelle getötet. Nach dem uns
vorliegenden medizinischen Bericht zur Feststellung der Todesursache wurde
der gesamte Unterleib und die Beine zerschmettert, der Tod trat durch
Verblutung ein. Der Getötete war von Beruf Agrarökonom und
Hauptverdiener der Familie. Er hinterließ seine Frau und die gemeinsame
5jährige Tochter, die ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage verloren
haben. |
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t) Der damals 46jährige später Geschädigte Jevtic Momcilo befand sich zum Zeitpunkt der Detonationen in der 1. Angriffswelle in seiner Wohnung ca. 100 Meter von der Brücke entfernt. Er ist Feuerwehrmann und begab sich sofort nach den ersten Detonationen zur Brücke, um Hilfe zu leisten. Unmittelbar nach seiner Ankunft an der Brücke detonierten die in der 2. Angriffswelle abgeschossenen Raketen. Er warf sich auf den Boden und schützte seinen Kopf mit den Händen. Trotzdem wurde er von 64 Bombensplittern, überwiegend in den Beinen, getroffen. Die linke Hand wurde verstümmelt, der Daumen war fast abgetrennt. Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger sind trotz der durchgeführten Operationen unbeweglich geblieben. Bei einer ersten Operation im Krankenhaus in Krusevac konnten 62 Splitter entfernt werden, um die beiden anderen Splitter zu entfernen, wurden drei Operationen erfolglos durchgeführt. Die Risiken sind zu hoch, über weitere Operationen bezüglich der beiden Splitter ist noch nicht entschieden worden. Eine weitere Operation soll durchgeführt werden, um den Daumen an der linken Hand zu richten. Er ist derzeit in einer Spezialklinik in Belgrad 14tägig in Behandlung. Über die Folgeschäden kann derzeit noch keine endgültige Aussage getroffen werden. Der Geschädigte leidet noch heute unter starken Schmerzen in den Beinen. Lange Wegstrecken kann er nicht mehr bewältigen. Die linke Hand kann er nicht mehr belasten, eine volle Beweglichkeit der Finger ist nicht mehr zu erreichen. Als Feuerwehrmann kann er nicht mehr arbeiten. Der Invaliditätsgrad liegt bei 40 Prozent. Er ist noch immer arbeitsunfähig krankgeschrieben. u) Der damals 38jährige später Geschädigte Vlastimir Bozidar befand sich auf dem Markt, blickte zufällig zu der ca. 200 Meter entfernten Brücke, als er plötzlich ein Projektil anfliegen sah. Bruchteile von Sekunden später kam es zu Detonationen an der Brücke. Eine Druckwelle drückte ihn zu Boden, er sah eine schwarze Rauchwolke aufsteigen. Er blieb zunächst unverletzt. Nachdem er sich aufgerafft hatte, lief er zu der Brücke. Er war einer der ersten, die nach der 1. Angriffswelle die Brücke erreichten. Am stadtseitigen Ufer konnte er keine Verletzten oder Tote feststellen. Im Fluß lag ein roter Pkw, er konnte einen Arm erkennen, der aus dem Fahrzeug ragte. Dort versuchte eine offensichtlich ertrinkende Personen, sich aus dem Fahrzeug zu befreien. Vlastimir Bozidar war verstört und aufgeregt und wollte wieder von der Brücke weg, als plötzlich zwei weitere Detonationen erfolgten. Er wurde von Splittern getroffen, der linke Unterarm war über die volle Länge bis auf den Knochen aufgeschlitzt und fast abgetrennt. Beide Arme, insbesondere die Ellenbogen, waren verbrannt. Starke Verbrennungen hatte er an der Brust und auf der linken Seite am Unterleib erlitten. Zwei große Wunden wurden durch Splitter auf den Schulterblättern und am Gesäß verursacht. Der gesamte Rücken war verbrannt, sein Hemd war vollständig verkohlt. Der Geschädigte wurde in das Krankenhaus in Krusevac gebracht und war insgesamt drei Monate in Behandlung. Eine Operation war nicht erforderlich. Die Verletzungen sind verhältnismäßig gut verheilt. Er hat jedoch eine Vielzahl von Narben auf dem Körper. Ungeachtet dessen ist der verletzte Arm nach wie vor schmerzempfindlich, er kann ihn nur kurze Zeit belasten und nicht vollständig bewegen. Die endgültigen Folgeschäden - insbesondere hinsichtlich des Arms - sind noch nicht absehbar. v) Der damals 68jährige später getötete
Dragoslav Terzic rannte von der Kirche kommend nach den ersten
Detonationen zur Brücke, um Hilfe zu leisten. Er wurde durch die
Raketengeschosse der 2. Angriffswelle getötet. In dem vorliegenden
medizinischen Bericht zur Feststellung der Todesursache wird ausgeführt,
daß der Kopf des Getöteten von einem Splitter zerschlagen wurde, so daß
das Gehirn aus dem Kopf gedrückt wurde. Die Gehirnzerstörung führte zum
Tod. |
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w) Der damals 46jährige später Geschädigte Predrag Savic war nach den ersten Detonationen zur Brücke gelaufen um Hilfe zu leisten. Durch die Raketengeschosse der 2. Angriffswelle traf ihn ein Splitter am Kopf und an der Hüfte. Er wurde im Krankenhaus in Krusevac operiert. Die Folgeschäden sind bis zum heutigen Tage nicht absehbar. Tatsache ist, daß der Geschädigte infolge der Bombardierung keine zusammenhängenden Sätzen mehr sprechen kann. Er leidet unter erheblichen Sprachstörungen. Die Sprache ist außerdem undeutlich. Außerdem leidet er auch zwei Jahre nach der Bombardierung unter ständigen Kopfschmerzen, die in periodischen Abständen von mehreren Wochen so stark werden, daß er dann für mehrere Tage nicht " nicht leben und nicht sterben kann ". Durch die Verletzungen der Hüfte ist er außerdem gehbehindert und kann seiner Tätigkeit als Landwirt nur noch eingeschränkt nachgehen. Er ist nach wie vor in medizinischer Behandlung, die Folgeschäden sind noch nicht absehbar. x) Der damals 25jährige später Geschädigte Slabojub Kovacevic hat den Luftangriff an der Brücke miterlebt. Er ist physisch nicht geschädigt, aber in erheblichen Maße psychisch geschädigt worden. Er befindet sich auch zwei Jahre nach der Bombardierung in psychologischer Behandlung. Er ist suizidgefährdet, leidet unter ständigen Ohnmachtsanfällen, Angstzuständen und starken Depressionen. Eine Besserung ist in den vergangenen zwei Jahren nicht eingetreten. Er verläßt - außer zu den medizinische Behandlungen - das Haus nicht mehr. Er hat die mittlere Maschinenbauschule abgeschlossen, jedoch ist er nicht mehr arbeitsfähig. Die Weiterentwicklung seines Gesundheitszustandes ist derzeit noch nicht absehbar. y) Die damals 29jährige später Geschädigte Mirjana Nesic war zum Zeitpunkt der ersten Detonationen in der Kirche zu einem Festessen. Aufgrund der Detonationen zersprangen die Teller auf den Tischen, das Kirchengemäuer erbebte und bekam Risse. Zusammen mit dem Geschädigten Predrag Milosevic und den Priestern ist sie zur Brücke gelaufen, um Hilfe zu leisten. Es wird insoweit auf die Sachverhaltsausführungen unter m) und n) Bezug genommen. Sie konnte sehen, daß die Brücke vollständig zerstört war. Dann hörte sie jemand sinngemäß rufen: "Die Flugzeuge kommen wieder, rennt weg!". Daraufhin wollte sie sofort wieder weglaufen, als schon die nächsten Detonationen erfolgten. Sie wurde am Kopf und an der Schulter von Splittern getroffen. Die Splitter drangen sowohl in den Kopf als auch in die Schulter ein. Auch am Rücken und am Bauch wurde sie von Splittern getroffen. Die Splitter wurden dann im Krankenhaus Krusevac operativ entfernt. Ärztlicherseits ist ihr eine Untersuchung des Kopfes empfohlen worden, die sie aber bis zum heutigen Tage noch nicht vornehmen lassen hat, weil ihr dafür die finanziellen Mittel fehlen. Sie ist arbeitslos. Unabhängig davon, daß der Geschädigten die finanziellen Mittel für weite Untersuchungen fehlen, sind die Folgeschäden aus objektiven Gründen bisher nicht endgültig zu prognostizieren. Die Ärzte befürchten, daß sich durch die Kopfverletzungen unter anderem Krampfanfälle (Epilepsi) einstellen können oder andere wichtige Steuerungsfunktionen beeinträchtigt werden oder vollständig ausfallen. Die Geschädigte kann auch zwei Jahre nach dem Bombenangriff den Kopf nicht vollständig drehen. Die Gedächtnisleistung hat nachgelassen, sie leidet außerdem unter ständigen Kopfschmerzen, die insbesondere bei Wetterwechsel unerträglich werden. 3. Rechtliche Würdigung Der von den NATO Staaten zu verantwortende Luftangriff auf die Brücke von Varvarin am 30. Mai 1999 verletzte die für den bewaffneten Konflikt geltenden völkerrechtlichen Regeln (ius in bello) und zugleich das deutsche Recht. Die völkerrechtlichen Regeln für den Fall eines internationalen bewaffneten Konfliktes gelten nach Völkergewohnheitsrecht unabhängig vom Grund und Anlaß des Konfliktes für alle am Konflikt beteiligten Parteien. Das wurde 1977 in der Präambel des Zusatzprotokolls I zu den Genfer Abkommen (nachfolgend als ZP I bezeichnet) ausdrücklich festgestellt: "Erneut bekräftigend, daß die Bestimmungen der Genfer Abkommen vom 12. August 1949 und dieses Protokolls unter allen Umständen uneingeschränkt auf alle durch diese Übereinkünfte geschützten Personen anzuwenden sind, und zwar ohne jede Benachteiligung, die auf Art oder Ursprung des bewaffneten Konflikts oder auf Beweggründen beruht, die von den am Konflikt beteiligten Parteien vertreten oder ihnen zugeschrieben werden." Die Zerstörung der Brücke, die Tötung und Verwundung von Zivilpersonen sowie die Verursachung von Sachschäden an ihrem Eigentum wurden unter Verletzung des strikten Verbots von Agriffen auf die Zivilbevölkerung verursacht. Es gehört zu den ältesten und elementarsten Regeln des humanitären Völkerrechts, daß bei militärischen Aktionen zwischen militärischen Zielen und Kombattanten einerseits und zivilen Objekten und der Zivilbevölkerung andererseits zu unterscheiden ist und daß es verboten ist, die Zivilbevölkerung und zivile Objekte anzugreifen (Artikel 48 ZP I): "Um Schonung und Schutz der Zivilbevölkerung und ziviler Objekte zu gewährleisten ... (dürfen die am Konflikt beteiligten Parteien) Kriegshandlungen nur gegen militärische Ziele richten ". Als militärische Ziele gelten gemäß Art. 52 des ZP I "nur solche Objekte, die aufgrund ihrer Beschaffenheit, ihres Standortes, ihrer Zweckbestimmung oder ihrer Verwendung wirksam zu militärischen Handlungen beitragen und deren gänzliche oder teilweise Zerstörung , deren Inbesitznahme oder Neutralisierung unter den in dem betreffenden Zeitpunkt gegebenen Umständen einen eindeutigen militärischen Vorteil darstellt." Keines dieser Tatbestandsmerkmale zur Rechtfertigung einer Zerstörung trifft im Falle der Brücke von Varvarin zu. Die Brücke wurde in keiner Weise militärisch genutzt. Beschaffenheit, Standort, Zweckbestimmung und Verwendung der Brücke von Varvarin schließen ihren Beitrag zu militärischen Handlungen (der jugoslawischen Armee) aus. Aber selbst bei hypothetischer Unterstellung einer Nutzung der Brücke von Varvarin zu militärischen Handlungen der jugoslawischen Armee war ihre Zerstörung durch die NATO Staaten zu dem betreffenden Zeitpunkt nicht gerechtfertigt, weil das geforderte Tatbestandsmerkmal des "eindeutigen militärischen Vorteils " nicht vorlag. Aber selbst dann noch, wenn man hypothetisch (zugunsten der NATO-Staaten) einen Beitrag der Brücke zu militärischen Handlungen und darüber hinaus das Vorliegen eines "eindeutigen militärischen Vorteils " unterstellen wollte, bleibt der Beschuß und die Zerstörung der Brücke dennoch rechtswidrig, weil die mit der Zerstörung der Brücke verbundenen Verluste unter der Zivilbevölkerung in keinem Verhältnis zu dem (hypothetisch unterstellten) unmittelbaren militärischen Vorteil standen. Art. 51 Abs. 5 b) ZP I enthält das strikte Verbot eines Angriffs durch Bombardierung, " bei dem damit zu rechnen ist, daß er auch Verluste an Menschenleben unter der Zivilbevölkerung, die Verwundung von Zivilpersonen, die Beschädigung ziviler Objekte oder mehrere derartige Folgen zusammen verursacht, die in keinem Verhältnis zum erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen ". Der Angriff auf die ausschließlich zivil genutzte Brücke in der serbischen Kleinstadt Varvarin, frei von militärischen Objekten und Truppenbewegungen, über 20 Kilometer entfernt vom nächstgelegenen militärischen Objekt, mehrere 100 Kilometer entfernt vom Kosovo und von militärischen Auseinandersetzungen, bombardiert zur Mittagszeit an einem kirchlichen Feiertag und Markttag, zu einem Zeitpunkt, zu dem sich mehrere 1000 Zivilpersonen im Bereich der beschossenen Brücke aufhielten, war daher nicht nur ein verbotener "unterschiedsloser Angriff " im Sinne des oben zitierten Artikel 51 Abs. 5b des ZP I, sondern insbesondere ein Angriff, der vorsätzlich darauf ausgerichtet war, Zivilpersonen zu töten und zu verwunden. Die Brücke diente lediglich als Gegenstand für Repressalien gegen die Zivilbevölkerung (Art. 52 Abs. 1 ZP I). Diese durch nichts zu rechtfertigende Tötungs- und Verwundungsabsicht, zu deren Umsetzung die Bombardierung der Brücke lediglich als Zweck und Schutzbehauptung diente, wird gerade auch durch die Kampfmethodik - die Methode der 2 Angriffswellen - bei der Ausführung der Bombardierungen exemplarisch belegt: Die Kampfflugzeuge der NATO-Staaten griffen die Brücke ohne jede Vorwarnung und deshalb heimtückisch und hinterhältig an und zerstörten sie bereits vollständig in der 1. Angriffswelle. Damit begnügten sie sich nicht. Trotz der Zerstörung in der 1. Angriffswelle flogen sie wenige Minuten später einen 2. Angriff auf die bereits zerstörte Brücke, bei dem erwartungsgemäß Zivilpersonen getötet und verwundet werden würden. Erwartungsgemäß deshalb, weil es normal ist, daß Menschen nach einem Angriff zum Ort des Geschehens laufen, um Verletzten Hilfe zu leisten. Auch die gewählte Kampfmethode als solche macht den Angriff zu einem verbotenen "unterschiedslosen Angriff " nach Art. 51 Abs. 4 b) und c) ZP I. Danach sind Angriffe verboten, " a) bei denen Kampfmethoden angewendet werden, die nicht gegen ein bestimmtes militärisches Ziel gerichtet werden, b) Angriffe, bei denen Kampfmethoden ... angewendet werden , die nicht gegen ein bestimmtes militärisches Ziel gerichtet werden können oder, c) Angriffe, bei denen Kampfmethoden ... angewendet werden, deren Wirkungen nicht entsprechend den Vorschriften dieses Protokolls begrenzt werden können und die daher in jedem Fall dieser Fälle Ziele und Zivilpersonen oder zivile Objekte unterschiedslos treffen können". Ein Krieg bzw. ein bewaffneter Konflikt stellt keinen Freibrief für Töten, Verwunden und Zerstören aus. Alle an einem bewaffneten Konflikt beteiligten Parteien haben verbindliche Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung und ziviler Objekte zu beachten. Diese Vorsichtsmaßnahmen sind vor dem Angriff auszuführen. Vom Ergebnis dieser Vorsichtsmaßnahmen hängt ab, ob ein Angriff überhaupt durchgeführt, ob überhaupt geschossen werden darf. Mit diesem Regelungswerk der vor der Entscheidung zum Angriff zu ergreifenden Vorsichtsmaßnahmen wird im übrigen auch klargestellt, daß für die Frage der Rechtfertigung eines Angriffs rechtlich ohne jede Relevanz ist, ob Kampfflugzeuge aus 10.000 Meter Höhe oder im Tiefflug Raketen abschießen beziehungsweise Bombardierungen vornehmen. Art. 57 ZP I regelt folgende Vorsichtsmaßnahmen: " (1) Bei Kriegshandlungen ist stets darauf zu achten, daß die Zivilbevölkerung, Zivilpersonen und zivile Obkjekte verschont bleiben. (2) Im Zusammenhang mit Angriffen sind folgende Vorsichtsmaßnahmen zu treffen: a) wer einen Angriff plant oder beschließt, noch zivile Objekte sind... zu treffen, um Verluste unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden und in jedem Fall auf ein Mindestmaß zu beschränken. iii) hat von jedem Angriff Abstand zu nehmen, bei dem damit zu rechnen ist, daß er auch Verluste unter der Zivilbevölkerung verursacht, die in keinem Verhältnis zum erwarteten konkreten und unmittel baren Vorteil stehen. ... c) Angriffen, durch welche die Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft gezogen werden kann, muß eine angemessene Warnung vorausgehen, es sei denn die gegebenen Umstände erlauben dies nicht." Wenn es im vorliegenden Falle der Bombardierung der Brücke von Varvarin nicht Absicht der Angreifer gewesen wäre, Zivilpersonen zu töten und zu verwunden, hätte im Ergebniss der Ergreifung dieser Vorsichtsmaßnahmen der Angriff unterbleiben müssen. Stattdessen wurde diesen Vorsichtsmaßnahmen diametral entgegen gehandelt: bei der Planung und beim Beschluß des Angriffs wurde alles praktisch mögliche getan, um sicherzugehen, daß die Angriffsziele Zivilpersonen und zivile Objekte sind. Es wurden alle Maßnahmen getroffen, um Verluste unter der Zivilbevölkerung um jeden Preis zu verursachen. Um dieses Ziel effektiv erreichen zu können, wurde eine Warnung an die Zivilbevölkerung unterlassen. Die Bombardierung verstieß letztlich gegen alle Regeln der Kriegsführung. Es war kein Kollateralschaden, sondern ist ein Kriegsverbrechen. Die Tötung und Verwundung von Zivilpersonen bei dem Angriff auf die Brücke von Varvarin sowie der dabei verursachte Sachschaden sind eindeutig eine Verletzung der für den bewaffneten Konflikt geltenden völkerrechtlichen Regeln. Die verantwortliche Partei ist daher gemäß Art. 3 der IV. Haager Konvention sowie Art. 91 des Zusatzprotokolls I zur Leistung von Schadenersatz verpflichtet. Unabhängig von der Staatszugehörigkeit haben Zivilpersonen, denen durch militärische Aktionen der NATO im sogenannten Kosovo-Krieg zwischen 24. März rund 10. Juni 1999 unter Verletzung der für den bewaffneten Konflikt geltenden Regeln des Völkerrechts Schaden durch die Streitkräfte der NATO Staaten zugefügt wurde, einen Schadenersatzanspruch gegen die Mitgliedsstaaten der NATO und somit auch gegen die Bundesrepublik Deutschland. Neben den Reparationsansprüchen, die dem angegriffenen Staat und seinen Staatsangehörigen infolge der Völkerrechtswidrigkeit des Krieges zustehen, gibt es den generellen Schadensersatzanspruch aufgrund der Verletzung der für den bewaffneten Konflikt geltenden Regeln (ius in bello). Er steht allen am Konflikt beteiligten Staaten sowie den durch die Verletzung betroffenen Personen zu. Für die verletzten Personen besteht dieser Anspruch sowohl aus dem Völkerrecht als auch aus deutschem Recht. Dieser Anspruch, soweit er die geschädigte Person betrifft, wird hier von den Klägern geltend gemacht. In der Präambel wie auch im Artikel 1 des ZP I wird ausdrücklich hervorgehoben, daß die Regeln des humanitären Völkerrechts "unter allen Umständen" einzuhalten sind. Damit wird unterstrichen, daß es sich um Mindestnormen handelt, die selbst unter den schwierigen Bedingungen eines bewaffneten Konfliktes das Leben der geschützten Personen sichern sollen. Zu dieser Schutzfunktion gehört auch, daß die geschützten Personen im Falle der Verletzung der Regeln einen eigenen Schadenersatzanspruch haben. Gleiches gilt heute für die sogenannten Haager Regeln, insbesondere die Haager Landkriegsordnung, Bestandteil des IV. Haager Abkommens von 1907, deren allgemeine Geltung als völkerrechtliches Gewohnheitsrecht bereits im Urteil des Nürnberger Tribunals ausdrücklich festgestellt wurde. Unabhängig davon, ob der Krieg völkerrechtswidrig oder z.B. als Verteidigungskrieg in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht geführt wurde, haftet der Staat für Schäden, die durch Soldaten unter Verletzung der im Krieg geltenden Regeln ( ius in bello) fremden Personen oder Staaten zugefügt wurden. Diese Haftung ist bereits im IV Haager Abkommen 1907 im Art. 3 ausdrücklich bekräftigt worden: "Die Kriegspartei, welche die Bestimmungen (der HLKO) verletzen sollte, ist gegebenenfalls zum Schadenersatz verpflichtet. Sie ist für alle Handlungen verantwortlich, die von den zu ihrer bewaffneten Macht gehörenden Personen begangen werden." Diese Regel ist heute fester Bestandteil des Völkergewohnheitsrechtes. Sie ist gemäß Art. 25 GG in der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar geltendes Recht. (So auch OLG Köln, 27. 08. 98; 7 U 167/97). Sie gilt auch in Bezug auf die Genfer Konventionen und das ZP I. Strittig war bislang, ob der Anspruch von den geschädigten Personen selbst im Wege eines zivilrechtlichen Verfahrens geltend gemacht oder nur mit Hilfe des diplomatischen Schutzrechts ihres Heimatstaates durchgesetzt werden kann. Ohne im einzelnen die Anspruchsgrundlagen genauer zu untersuchen, wurde von der herrschenden Lehre lange Zeit behauptet, daß solche Ansprüche nur von Staat zu Staat, also im Wege des diplomatischen Schutzrechtes geltend gemacht werden könne. Aber bei richtiger Interpretationen des Art. 3 des IV. Haager Abkommens und unter Berücksichtigung der gesamten Entwicklung der Menschenrechte im Völkerrecht nach 1945 ist festzustellen, daß es sich bei den Schadenersatzansprüchen aus der Verletzung von Regeln, die in bewaffneten Konflikten gelten, sowohl um völkerrechtliche Ansprüche als auch um Ansprüche handelt, die im geltenden Recht der Bundesrepublik verwurzelt sind. Aus der alten Lehre über die ausschließliche Völkerrechtssubjektivität der Staaten und dem diplomatischen Schutzrecht wurde ein Grundsatz der "Exklusivität" des Staates zur Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen bei Kriegsfolgen konstruiert, der den Einzelnen praktisch von der Wahrnehmung seiner Rechte ausschließt, den es aber im Völkerrecht nicht gibt. Zu Recht hat das Bundersverfassungsgericht darauf aufmerksam, daß "eine solche Regel des Völkergewohnheitsrechts über die "Exklusivität" nicht besteht: " Die Annahme, ein solcher Grundsatz könne auch Ansprüche ausschließen, die das deutsche Recht gewähre, beruht jedoch auf einer nicht ausreichenden Unterscheidung zwischen Ansprüchen nach Völkerrecht und nach nationalen Recht." (NJW 1996,2717)" Im vorliegenden Fall liegt eine Anspruchsparallelität zwischen den vorgenannten völkerrechtlichen Regelungen (ius in bello) und dem deutschen Deliktsrecht nach § 823 BGB vor, darauf werden die Schadenersatzforderungen unserer Mandantschaft gestützt. Die Verantwortung für die offiziell als Luftoperationen bezeichneten Bombardierungen in Jugoslawien zwischen 24. März und 10. Juni 1999 trägt sowohl die NATO als auch jeder einzelne NATO Mitgliedstaat. Die Planung und der Einsatz der NATO zu Luftoperationen gegen die Bundesrepublik Jugoslawien setzte zwingend die Zustimmung aller NATO Mitgliedstaaten voraus. Ohne einen einstimmigen Beschluß der Mitgliedstaaten wäre der Einsatz nicht möglich gewesen. Aus einer Vielzahl von deutschen Regierungserklärungen, Dokumenten und Erklärungen deutscher Militärangehöriger geht hervor, daß auch die Zielplanung und Zielauswahl durch die Staatenvertreter in der NATO abgestimmt wurden. So führte die Bundesregierung in der Begründung zu ihrem Beschlußantrag an den Deutschen Bundestag vom 12. Oktober 1999 (Drucksache 13/11469) u. a. aus: " Der NATO-Generalsekretär erklärt, daß unter diesen außergewöhnlichen Umständen der gegenwärtigen Krisenlage im Kosovo, wie sie in der Resolution des VN-Sicherheitsrates 1199 beschrieben ist, die Drohung mit und gegebenenfalls der Einsatz von Gewalt gerechtfertigt ist. Die Bundesregierung teilt diese Rechtsauffassung mit allen anderen 15 NATO-Mitgliedstaaten. Das Bündnis hat entschieden, den Eintritt einer humanitären Notlage durch den Einsatz von Streitkräften abzuwenden." Wir beurteilen hier nicht die Richtigkeit oder Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung. Wir stellen lediglich fest, daß die Bundesregierung ihre freie Mitwirkung an dieser Entscheidung bestätigt und damit auch die Verantwortung für Schäden trägt, die infolge von Verletzungen des Kriegsrechts bei der Ausführung dieser Entscheidung eingetreten sind. Infolge der Struktur der NATO ist diese Verantwortlichkeit unabhängig davon, ob im konkreten Fall der völkerrechtswidrige Schaden durch deutsche, amerikanische oder englische Bomber oder aufgrund von Befehlen deutscher, amerikanischer oder Offiziere anderer Nationalität verursacht wurde. Jeder NATO-Staat ist für die unter dem NATO Kommando erfolgten militärischen Aktionen verantwortlich. Das gilt auch dann, wenn er die Details einer bestimmten Aktion nicht kannte. Bei einem Schaden, der durch militärische Aktionen der NATO in Verletzung des Kriegsrechts verursacht wurde, richtet sich der Anspruch gegen jeden NATO-Staat. Der Geschädigte muß nicht nachweisen, daß sein Schaden durch amerikanische, britische oder deutsche Bomber verursacht wurde. Das ist ihm im allgemeinen auch gar nicht möglich. Da der Krieg von den NATO-Staaten gemeinschaftlich geführt wurde, haftet jeder von Ihnen für das Ganze. Dieser gesamtschuldnerische Grundsatz, der sich in 421 BGB findet und im § 830/840 BGB für die unerlaubten Handlungen übernommen wird, gilt auch im Völkerrecht, wenn mehrere Staaten gemeinschaftlich handeln. Der Grundsatz der gesamtschuldnerischen Haftung wird innerhalb der NATO, d. h. zwischen den NATO-Mitgliedstaaten selbst angewandt, wie Art. VIII, Abs. 5 lit. e ii und iii des NATO-Truppenstatuts vom 19. 6. 1951 zeigt. Die gesamtschuldnerische Haftung der Vertragsparteien gilt erst recht für das Außenverhältnis, insbesondere gegenüber Zivilpersonen. 4. Forderungen Namens und im Auftrag unserer Mandantschaft werden aus den vorgenannten Gründen Schadensersatzanpüche gegen die Bundesrepublik Deutschland geltend gemacht. Wir haben die Bundesrepublik Deutschland aufzufordern, zunächst, und zwar spätestens bis zum 21.September 2001, rechtsverbindlich zu erklären, daß sie diese Schadensersatzansprüche dem Grunde nach anerkennt, d. h. für alle Schäden, die unserer Mandantschaft durch die Bombardierung der Brücke in Vavarin am 30. Mai 1999 entstanden sind und noch entstehen werden, aufkommen wird. Sollte uns dieses Anerkenntnis nicht fristgemäß zugehen, werden wir ohne weitere Ankündigung Klage erheben. Die einzelnen Schadenpositionen werden wir darstellen und, soweit möglich, beziffern, sobald uns das Anerkenntnis vorliegt. Es wird der Ersatz des gesamten materiellen und immateriellen Schadens verlangt. Schon jetzt kann davon ausgegangen werden, daß folgende Schmerzensgelder/ Entschädigungen für den immateriellen Schaden zu zahlen sein werden: 1. an die insgesamt 17 schwerverletzten Geschädigten mindestens 100.000,00 DM pro Person; 2. an die die Eheleute Vesna und Zoran Milenkovic, die Eltern und Erben der im Alter von 15 Jahren getöteten Sanja Milenkovic, mindestens 180.000,00 DM; 3. an die von uns vertretenen Erben der insgesamt 8 getöteten Personen mindestens 100.000,00 DM pro getöteter Person. Für die insgesamt 17 schwerverletzten Geschädigten sind darüberhinaus, um diese Positionen beispielhaft aufzuführen, die Kosten für Operationen, Heilbehandlungen, Sehhilfen, Prothesen, orthopädische Schuhe und sämtliche weitere medizinische Maßnahmen, die infolge der physischen und/oder psychischen Verletzungen der Geschädigten notwendig geworden sind oder noch notwendig werden, zu übernehmen. Es ist ihnen eine Entschädigung für Verdienstausfall und den Nachteil ihres beruflichen Fortkommens zu zahlen. Den Hinterbliebenen der Getöteten stehen Rentenansprüche und - wie international in vergleichbaren Fällen ständig praktiziert - Entschädigungen für den Verlust ihrer Angehörigen zu. Selbstverständlich sind wir bereit, mit der Bundesrepublik Deutschland über die Höhe einer zu zahlenden Gesamtentschädigung für die Personen, die wir vertreten, zu verhandeln. Dies hat jedoch nur dann Sinn, wenn sich diese Verhandlungen auf der zahlenmäßigen Grundlage bewegen, die wir vorstehend skizziert haben. Darauf weisen wir von vornherein hin, damit erst gar nicht der Versuch unternommen wird, die Menschen, die Objekt eines verabscheuungswürdigen Kriegsverbrechens geworden sind, mit Minimalbeträgen abzuspeisen, was einer Verhöhnung der Opfer gleichkäme. Sollte die Vorlage von Erbscheinen, Geburtsurkunden, Totenscheinen und weiteren Dokumenten erforderlich sein, wird ein entsprechender Hinweis erbeten.
Ulrich Dost Rechtsanwalt |