Statut
eines internationalen (inoffiziellen) Tribunals über
den
NATO-Krieg gegen Jugoslawien
Das von Friedensbewegungen und
Menschenrechtsorganisationen sowie von namhaften Persönlichkeiten
berufene
Kuratorium
hat am _______ im Namen der vorgenannten
Friedensbewegungen und Friedensorganisationen das nachstehende
Statut
eines internationalen (inoffiziellen) Tribunals über
den NATO-Krieg gegen Jugoslawien
als Arbeitsgrundlage dieses Tribunals gebilligt:
Das Statut wurde im Geiste der
UN-Charta erarbeitet und befindet sich in Übereinstimmung mit allgemein
anerkannten Prinzipien und Normen des Völkerrechts, namentlich mit
- dem Briand-Kellogpakt über die
Ächtung des Krieges von 1928,
- den durch die UN-Resolution 95 (I) bestätigten
"Nürnberger Prinzipien" von 1945,
- der Konvention über Verhütung und Bestrafung des
Völkermords von 1948,
- den Genfer Abkommen von 1949 und den
Zusatzprotokollen von 1977,
- dem Statut des Internationalen Strafgerichtshofes
für das ehemalige Jugoslawien von 1993,
- dem Statut des Internationalen Strafgerichtshofes
von 1998.
Art. 1
Das Tribunal verhandelt über den Vorwurf betreffend
folgende internationale Verbrechen
- das Verbrechen der Aggression
- Völkermord
- Verbrechen gegen die Menschlichkeit
- Kriegsverbrechen,
soweit sie nach dem 23. März 1999 im
Rahmen bewaffneter Konflikte gegen Jugoslawien oder auf seinem
Staatsgebiet, einschließlich des
Luftraumes und der Hoheitsgewässer begangen oder Anrainerstaaten von
diesen betroffen wurden und natürlichen Personen zur Last gelegt
werden.
Art. 2
Für die Zwecke des Statuts umfasst das Verbrechen der
Aggression - gemäß der von der Vollversammlung der Vereinten Nationen
am 14.12.1974 angenommenen Resolution Nr. 3314 (XXIX) - die Planung,
Vorbereitung, Einleitung oder Durchführung eines Angriffskrieges oder
eines Krieges unter Verletzung internationaler Verträge, Abkommen oder
Zusicherungen oder Beteiligung an einem gemeinsamen Plan oder einer
Verschwörung zur Ausführung einer der vorgenannten Handlungen
(Londoner IMT).
Art. 3
Für die Zwecke dieses Statuts umfasst das Verbrechen
des Völkermords folgende Handlungen, die in der Absicht begangen
werden, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als
solche ganz oder teilweise zu zerstören:
a) Tötung von Mitgliedern der Gruppe;
b) Verursachung von schweren
körperlichen oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe;
c) vorsätzliche Auferlegung von
Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche
Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen;
d) Verhängung von Maßnahmen, die auf
die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind;
e) gewaltsame Überführung von Kindern
der Gruppe in eine andere Gruppe (Genocid-Konvention).
Art. 4
Für die Zwecke des Statuts umfasst das Verbrechen
gegen die Menschlichkeit folgende Handlungen, soweit sie als Teil eines
massiven oder systematischen Angriffs in bewaffneten Konflikten gegen
die Zivilbevölkerung begangen werden
a) Mord;
b) Ausrottung;
c) Versklavung;
d) Vertreibung
e) Freiheitsentzug;
f) Folter;
g) Vergewaltigung;
h) Verfolgung aus politischen,
rassistischen oder religiösen Gründen;
i) andere unmenschliche Handlungen.
Art. 5
Für die Zwecke des Statuts umfasst der Tatbestand des
Kriegsverbrechens durch Land-, See- oder Luftstreitkräfte begangene
Handlungen, die gegen die Gesetze oder Gebräuche des Krieges
verstoßen, insbesondere schwere Verletzungen der Genfer Abkommen vom
12. August 1949 einschließlich der Zusatzprotokolle von 1977 darstellen
wie:
a) vorsätzlich gegen die
Zivilbevölkerung oder einzelne Zivilpersonen gerichtete Angriffe, die
den Tod oder eine schwere Beeinträchtigung der körperlichen
Unversehrtheit oder der Gesundheit zur Folge haben (Art. 85 Abs.
3 des 1. Zusatzprotokolls)
b) Führen eines unterschiedslos
wirkenden, die Zivilbevölkerung oder zivile Objekte in Mitleidenschaft
ziehenden unverhältnismäßigen Angriffs in Kenntnis dessen, dass
dieser Angriff Verluste an Menschenleben, die Verwundung von
Zivilpersonen oder die Beschädigung ziviler Objekte zur Folge haben
wird (Art.85 Abs. 3 des 1. Zusatzprotokolls);
c) Anwendung von Waffen, Geschossen und
Material sowie Methoden der Kriegführung, die verboten oder geeignet
sind, überflüssige Verletzungen oder unnötige Leiden zu verursachen,
einschließlich der Verwendung giftiger Waffen;
ebenso die Verwendung von Methoden oder
Mitteln der Kriegführung, die dazu bestimmt wird oder von denen
erwartet werden kann, dass sie ausgedehnte, langanhaltende und schwere
Schäden der natürlichen Umwelt verursachen (Art. 35 des 1.
Zusatzprotokolls);
d) die mutwillige Zerstörung von
Städten oder Dörfern oder durch militärische Erfordernisse nicht
gerechtfertigte Verwüstungen;
e) Angriffe auf unverteidigte Städte
und Dörfer, Wohnungen oder Gebäude oder deren Beschießung;
f) Besetzung, Zerstörung oder
mutwillige Beschädigung von Einrichtungen, die der Religion, der
Wohltätigkeit und der Erziehung, den Künsten und Wissenschaften
gewidmet sind, sowie von geschichtlichen Denkmälern oder Werken der
Kunst und Wissenschaft;
g) Plünderung öffentlichen oder
privaten Eigentums;
h) vorsätzliche Tötung von Personen,
die unter dem Schutz der Genfer Abkommen stehen;
i) Folter oder unmenschliche Behandlung
einschließlich biologischer Versuche;
j) vorsätzliche Verursachung schwerer
Leiden oder schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit
oder der Gesundheit bei Personen, die unter dem Schutz der Genfer
Abkommen stehen;
k) umfangreiche, durch militärische
Erfordernisse nicht gerechtfertigte Zerstörungen sowie rechtswidrige
und willkürliche Aneignung von Eigentum;
l) die Verletzung der in Art. 54, 55
und 56 des 1. Zusatzprotokolls von 1977 zum Schutze der für die
Zivilbevölkerung lebensnotwendigen Objekte, zum Schutze der
natürlichen Umwelt und zum Schutze von Anlagen und Einrichtungen, die
gefährliche Kräfte enthalten, aufgestellten Verbote.
Art. 6
Das Tribunal wird eine persönliche strafrechtliche
Verantwortlichkeit bejahen, wenn eine natürliche Person eine der in
Art. 2-5 dieses Statuts beschriebenen Verbrechen geplant, angeordnet,
verübt oder dazu angestiftet hat oder auf andere Weise an der Planung,
Vorbereitung oder Ausführung dieser Verbrechen beteiligt war oder dazu
Beihilfe geleistet hat.
Die Stellung einer (natürlichen) Person im
Staatsgefüge, sei es in der Legislative oder Exekutive, oder als
Beauftragter oder Repräsentant zwischenstaatlicher Organisationen
enthebt den Betreffenden nicht seiner Verantwortlichkeit.
In gleicher Weise wird es eine persönliche
Verantwortlichkeit solcher Personen annehmen, die die vorgenannte
Verbrechensbegehung (auch in Wort und Schrift und Bild) absichtlich,
erheblich und systematisch gefördert haben.
Von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit soll eine
natürliche Person nur dann befreit sein, wenn sie tatsächliche
Umstände nicht kannte, die die Verantwortlichkeit nach diesem Statut
begründen, oder wenn sie einen Irrtum über die Rechtswidrigkeit ihres
Tuns nicht vermeiden konnte.
Art. 7
Eine Verhandlung gegen vorbezeichnete Personen wegen
der vorbezeichneten Verbrechen findet nicht oder solange nicht statt,
wenn oder solange diese Person wegen dieser Verbrechen einer
Strafverfolgung durch einen
internationalen Strafgerichtshof oder nationale
Strafverfolgungsbehörden ausgesetzt ist.
Art. 8
Das Tribunal setzt sich aus sieben (oder mehr)
anerkannten Persönlichkeiten zusammen, die von den Friedensbewegungen
der verschiedenen Länder vorgeschlagen und von dem Kuratorium berufen
werden.
In dem Tribunal sollen die verschiedenen Nationen bzw.
Regionen angemessen
vertreten sein; auch sollen in hinreichender Zahl
Juristen, namentlich Strafjuristen, beteiligt werden.
Die berufenen Mitglieder des Tribunals verpflichten
sich öffentlich, ihr Ehrenamt objektiv und unparteiisch auszuüben.
Sie wählen den Vorsitzenden des Tribunals aus ihrer
Mitte.
Das Tribunal hat seinen Sitz am Sitz des Kuratoriums
in Berlin.
Art. 9
Bei dem Tribunal werden gesellschaftliche Ankläger
tätig, die von den Friedensbewegungen der verschiedenen Länder
vorgeschlagen werden und von dem Kuratorium berufen werden; sie sollen
die öffentliche Anklage gegen betreffende Personen vorbereiten und
erheben.
Der Ankläger des Tribunals sammeln und sichten ihnen
aus öffentlichen und anderen Quellen zugängliche und von Zeugen
übermittelte Beweise.
Reichen die vorliegenden Beweise zur Erhebung der
öffentlichen Anklage aus, so wird für alle Personen, die eines
Verbrechens i. S. dieses Statuts verdächtig erscheinen (künftig als
"Betroffene" bezeichnet), eine einheitliche Anklage erarbeitet
und erhoben.
Diese Anklage wird den Betroffenen zugesandt und
gleichzeitig öffentlich bekannt gemacht; die öffentliche
Bekanntmachung gilt als Zustellung.
Art. 10
Die öffentliche Verhandlung findet am 10. und 11.
Juni 2000 statt.
Zeit und Ort wird den Betroffenen mindestens einen
Monat vor dem Termin öffentlich übermittelt; außerdem werden Zeit und
Ort öffentlich bekannt gemacht.
Art. 11
Den Betroffenen steht es zu, an den öffentlichen
Verhandlungen teilzunehmen und/oder sich durch von ihnen
bevollmächtigte Personen ihres Vertrauens vertreten zu lassen, die
über eine abgeschlossene juristische Ausbildung an einer Universität
verfügen.
Den Betroffenen steht es frei, sich gegen die gegen
sie erhobenen Vorwürfe zu verteidigen, insbesondere entlastende Beweise
vorzulegen oder durch ihre Vertreter entlastende Beweiserhebungen zu
beantragen. Diese müssen zwei Wochen vor der öffentlichen Verhandlung
beim Tribunal eingegangen sein; später eingereichte Anträge müssen
nicht berücksichtigt werden.
Es steht ihnen oder ihren Vertretern frei, Fragen an
Zeugen und Sachverständige zu richten.
Art. 12
Die öffentliche Verhandlung des Tribunals beginnt mit
der Eröffnung der Verhandlung durch den Vorsitzenden, der Vorstellung
der Mitglieder des Tribunals, der Bezeichnung der Sache und Feststellung
der Anwesenheit der
Betroffenen oder ihrer Vertreter.
Im Fall ihrer Abwesenheit vergewissert sich das
Tribunal darüber, ob sie von Zeit und Ort der Verhandlung zuverlässig
oder öffentlich unterrichtet wurden, und ob sie Vertreter beauftragt
und bevollmächtigt haben. Es kann in Abwesenheit der Betroffenen
verhandelt und entschieden werden.
Danach wird die öffentliche Anklage vorgetragen und
anschließend in die Verhandlungen eingetreten.
Der Vorsitzende des Tribunals leitet die
Verhandlungen; er erteilt das Wort. Er darf, wenn erforderlich, die
Redezeit begrenzen und bei Missbrauch des Rederechtes das Wort
entziehen. Der Vorsitzende des Tribunals übt die Sitzungspolizei und
das Hausrecht aus.
Sind die Betroffenen oder ihre Vertreter anwesend,
erhalten diese als erste das Wort.
Art. 13
Das Tribunal erhebt Beweis über alle Punkte der
öffentlichen Anklage.
Zur Beweisaufnahme gehört insbesondere die Verlesung
von amtlichen Dokumenten, wie Regierungserklärungen, Beschlüsse des
NATO-Rates, Erklärungen von Bevollmächtigten von Regierungen und der
NATO, Befehle u.ä. Die Verlesung allgemein zugänglicher Schriftstücke
kann durch Bezugnahme auf die betroffenen, genau zu bezeichnenden
Schriftstücke ersetzt werden; nach Ermessen des Tribunals soll auch
eine auszugsweiseVerlesung von Schriftstücken zulässig sein, wobei die
Auszüge genau zu bezeichnen sind.
Über offenkundige Tatsachen wird kein Beweis erhoben.
Nach Erfordernis oder auf Antrag werden
Sachverständige gehört; von ihnen dem Tribunal vorzulegende
Materialien werden in Augenschein genommen.
Das Tribunal kann die Verlesung von Zeugenaussagen
für zulässig halten, wenn diese vor einem Richter abgegeben oder
notariell beglaubigt sind.
Gerichtssprachen sind deutsch, englisch, russisch und
französisch.
Das Tribunal gewährleistet erforderliche
Simultanübersetzungen.
Die Zeugen sollen erklären, dass sie ihre Aussagen
frei und ohne jede Nötigung machen und nur die Wahrheit und nichts als
die Wahrheit bekunden werden;
die Sachverständigen sollen erklären, dass sie ihr
Gutachten nach besten Wissen und Gewissen erstatten werden;
Dolmetscher und Übersetzer sollen erklären, dass sie
ihre Arbeit gewissenhaft und unparteiisch und unter voller Wahrung der
Vertraulichkeit ausüben werden.
Art. 14
Nach Schluss der Beweisaufnahme erhalten die
öffentliche Ankläger und danach die Betroffenen oder ihre Vertreter
das Wort; Repliken sind zulässig.
Die Betroffenen oder ihre Vertreter haben das letzte
Wort.
Art. 15
Die Beratung der Mitglieder des Tribunals über die
Ergebnisse der Beweisaufnahme ist geheim. Das Tribunal entscheidet über
die Ergebnisse der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff
der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
Die Entscheidung wird mit Stimmenmehrheit der
erkennenden Mitglieder des Tribunals getroffen.
Art. 16
Die Entscheidung des Tribunals wird öffentlich
verkündet.
Seine Entscheidung bezieht sich auf die einzelnen
Punkte der öffentlichen Anklage und lautet jeweils "schuldig"
oder "nicht schuldig".
Art. 17
Die Entscheidung wird mündlich begründet und
erläutert.
Eine schriftliche Begründung wird dem Betroffenen
oder seinem Vertreter zugestellt und veröffentlicht; abweichende
Meinungen einzelner Mitglieder des Tribunals werden beigefügt.
Art. 18
Ein förmliches Rechtsmittelverfahren wird nicht
vorgesehen, jedoch bleibt den Betroffenen oder ihren Vertretern
unbenommen, sich gegenüber dem Tribunal oder öffentlich zur
Entscheidung des Tribunals in einer Gegenvorstellung zu äußern. Das
Tribunal kann wieder in die Verhandlung zur Sache eintreten, wenn die
Gegenvorstellung dazu veranlasst.
Art. 19
Die Mitglieder des Tribunals wie auch die
gesellschaftlichen Ankläger arbeiten ehrenamtlich.
Das Tribunal erhebt keine Gebühren.
Unkosten werden niemanden erstattet.
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