Aufruf an alle Soldaten der Bundeswehr, die am Jugoslawien-Krieg beteiligt sind: Verweigern Sie Ihre weitere Beteiligung an diesem Krieg!
Wir rufen alle Soldaten dazu auf, sich nicht weiterhin an dem Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien zu beteiligen. Dazu rufen wir die direkt an den Bombardements beteiligten Piloten, die Truppen in Mazedonien und alle an der Logistik der Kriegsführung beteiligten Soldaten auf - zum Beispiel im Verteidigungsministerium. Die Verweigerung kann sich auf Art. 4 Abs. 3 GG (Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen) oder auf § 22 Soldatengesetz stützen: Befehle, die die Menschenwürde verletzen oder deren Befolgung eine Straftat bedeutet, dürfen nicht ausgeführt werden.
Bei dem Krieg gegen Jugoslawien handelt es sich um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, der gemäß Art. 26 Grundgesetz verboten ist. Die Völkerrechtswidrigkeit ergibt sich aus der UN-Charta, die auch für die Bundesrepublik Deutschland Gültigkeit besitzt. Nach Art. 25 GG sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts. Der gegenwärtige Krieg ist ein Verstoß gegen das Gewaltverbot der UN-Charta. Eine Ermächtigung durch den Weltsicherheitsrat hat es nicht gegeben. Eine solche wäre wegen der Weigerung Rußlands und Chinas auch nicht zustande gekommen.
Die Bombardements machen alle zu Opfern dieses Krieges, ob dies Soldaten oder Zivilisten sind. Die 2.Phase des NATO-Angriffs richtet sich vor allem gegen die Truppen der serbischen Armee. Jedoch werden von den Bombenangriffen Menschen in Serbien, Montenegro und im Kosovo unterschiedslos verängstigt, verletzt oder getötet. Im Schatten dieses Bombardements können die Massaker und Vertreibungen im Kosovo weiter betrieben werden. Auch dort kann die NATO nur unterschiedslos serbische Truppen bombardieren, mit dem zusätzlichen Risiko, albanische und serbische Zvilisten in Mitleidenschaft zu ziehen.
Ziel des Angriffskrieges sollte es sein, eine humanitäre Katastrophe abzuwenden. Doch diese ist jetzt erst recht durch die NATO herbeigebombt worden. Am Sonntag, 28.3.99, sprach Verteidigungminister Scharping von einem beginnenden Völkermord im Kosovo. Friedensbewegung und Friedensforschung hatten vor Kriegsbeginn genau hiervor gewarnt. Die ansatzweise erfolgreiche OSZE-Mission, die immerhin einen Puffer zwischen den Parteien bildete und Öffentlichkeit herstellte, mußte wegen des Krieges abgebrochen werden.
Nun gilt es, den Krieg sofort zu beenden. In Italien gibt es im Parlament deutlichen Widerstand gegen eine Fortsetzung des Krieges. Wenn die bundesdeutschen Parlamentarier sich scheuen, die notwendigen Konseqenzen zu ziehen, müssen die Soldaten selbst entscheiden und ihrem Gewissen folgen.
Eine Beteiligung an diesem Krieg ist nicht zu rechtfertigen. Verweigern Sie deshalb Ihre Einsatzbefehle! Entfernen Sie sich von der Truppe! Lehnen Sie sich auf gegen diesen Krieg!
Es ist nicht wahr, daß es zwischen Wegschauen und Bomben keine Alternative gibt. Statt den Krieg fortzusetzen, muß ganz neu verhandelt werden. Das ist nicht die Aufgabe der NATO. Die UN und Rußland müssen in die Suche nach einer konstruktiven und dauerhaften Konfliktlösung für den Balkan einbezogen werden. Es muß eine Lösung für die Konflikte auf dem Balkan gefunden werden, die nicht Krieg und mörderische Gewalt heißt, weder von seiten des jugoslawischen Staates oder der UCK-Guerilla noch von seiten der NATO-Staaten. Zugleich müssen alle Länder des Balkans von der EU wirtschaftlich massiv unterstützt werden. Dafür hätte man das Geld dringend gebraucht, das jetzt verbombt wird.
Es kann geschehen, daß sich weigernde Soldaten mit Verfahren nach dem Wehrstrafgesetz wegen Gehorsamsverweigerung, Fahnenflucht oder Meuterei überzogen werden. Wir werden in diesem Fall den Betroffenen nach unseren Kräften beistehen und in der Öffentlichkeit für ein Klima sorgen, damit eine strafrechtliche Verurteilung verhindert wird. Gemäß unserem Verständnis der Menschenwürde trägt jeder die Verantwortung für seine Entscheidung selbst.
Wir erklären zugleich, alle unsere Möglichkeiten zu nutzen, um Verweigerern und Deserteuren der jugoslawischen Armee oder der albanischen UCK zu helfen, insbesondere denen, die die Bundesrepublik Deutschland als Fluchtort erreichen. Es gilt: Aktive Soldaten sind potentielle Mörder. Und Opfer eines mörderischen Krieges. Deserteure und Kriegsdienstverweigerer jedoch sind Friedensboten.
ErstunterzeichnerInnen:
Dr. Volker Böge, Bansgraben 22, 22459 Hamburg
Dr. Aris Christidis, Sandgasse 35, 63739 Aschaffenburg
Alois Finke, Dengler Str. 7, 53173 Bonn
Brigitte Gärtner-Coulibaly, Ahmser Str. 61, 32052 Herford
Dr. Wolfgang Hertle, Ulmenweg 26, 25451 Quickborn
Pfarrer Hubertus Janssen, Mainzer Straße 3, 65552 Limburg-Eschhofen
Dr. Wilfried Kerntke, Lehrstraße 8, 63075 Offenbach
Brigitte Klaß, Vogelsbergstraße 25, 60316 Frankfurt
Prof. Dr. Ekkehart Krippendorff, Schulenburgring 5, 12101 Berlin
Armin Lauven, In der Maar 40, 53175 Bonn
Volker Mergner, An den Pappeln 28, 60388 Frankfurt
Stephan Nagel, Wohlers Allee 18, 22767 Hamburg
Prof. Dr. Wolf-Dieter Narr, Potsdamer Straße 41, 12205 Berlin
Ingrid Röseler, Rosenhohle, 3 b, 98587 Steinbach-Hallenberg
Clemens Ronnefeldt, Dorfstraße 3, 56288 Krastel
Prof. Dr. Roland Roth, Fronhoferstr. 3, 12165 Berlin
Martin Singe, Lenn‚straße 45, 53113 Bonn
Manfred Stenner, Bonner Talweg 211, 53129 Bonn
Dr. Elke Steven, Landgrafenstraße 47, 50931 Köln
Volker Strom, Alfred-Bucherer-Str.18, 53115 Bonn
Helga und Konrad Tempel, Föhrenstieg 8, 22926 Ahrensburg
Sonja Tesch, Scheplerstr. 80, 22767 Hamburg
Hermann Theisen, Moltkestr. 35, 69120 Heidelberg
Hanne und Klaus Vack, An der Gasse 1, 64759 Sensbachtal
Dirk Vogelskamp, Euskirchener Straße 95, 52351 Düren
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