Mittwoch, 8. März 2000                                              Neues Deutschland    Seite 5

Justiz  

Steuern für den Nato-Krieg - nein danke!

Familie Kampffmeyer zeigt Zivilcourage und klagt gegen das Finanzamt

Von Peter Kirschey

Die Beteiligung am NATO-Krieg gegen Jugoslawien war Rechtsbruch und ein Verbrechen - sagen viele und gehen nach Hause. Nicht so Cornelia und Harald Kampffmeyer. Sie fordern vom Fiskus Lohnsteuer für die Zeit der Bombardements zurück. Als das Finanzamt Treptow/Köpenick, Veranlagungsplatz 19, sich nicht zuständig fühlte, zogen sie vor Gericht.

Genau 1556,92 Mark einbehaltener Bundesanteil der Lohnsteuer und 153,41 Mark Solidaritätszuschlag verlangt Harald Kampffmeyer vom Finanzamt zurück. Am 24. März 1999 schickte die NATO ihre Bomberpiloten nach Jugoslawien. Am 26. März teilten Harald und Cornelia Kampffmeyer der Behörde ihre Forderung mit. Begründung: >>Ab dem 24.3.1999 führt der Staat Bundesrepublik Deutschland einen sowohl völkerrechtswidrigen als auch grundgesetzwidrigen Aggressionskrieg gegen den Staat Jugoslawien. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass von uns gezahlte Bundessteuern von der Bundesregierung dazu missbraucht werden, ihre Verbrechen zu finanzieren. Um für uns ein Schuldigwerden durch mögliche Mitfinanzierung der Verbrechenstatbestände auszuschließen, ist unsere Forderung aus Gewissensgründen gerechtfertigt und geboten.<<

Der 48-jährige Harald Kampffmeyer weiß, wovon er spricht. Der ehemalige NVA-Offizier, noch zu DDR-Zeiten zum Soldaten degradiert und aus der Partei ausgeschlossen, fand beim Kombinat VEB Minol eine zweite Chance und beschäftigt sich auch intensiv mit Militärgeschichte und Kriegsrecht. Heute ist er Cheflogistiker bei ELF Oil Deutschland. Durch seine Hände >>fließen<< jährlich rund 10 Millionen Tonnen Rohöl. Für ihn ist es absurd, wenn in Deutschland - zu Recht - sehr hohe Maßstäbe an die Sicherheit der Öl-transporte und -lagerung gelegt werden, in Jugoslawien rücksichtslos Tanklager bombardiert werden, mit unermesslichen Schäden für Mensch und Natur.

Das Finanzamt reagierte, wie eine deutsche Behörde in solch einem Fall reagiert: Es lehnte den Antrag ab. Das Amt sei nur der Eintreiber, über die Verteilung der Beute werde vom Gesetzgeber entschieden. Der Steuerpflichtige habe somit kein Recht, aus Gewissensgründen seine Steuerpflicht zu verweigern. Der Bürger, so die Finanzbehörde, habe das Recht, durch entsprechendes Wahlverhalten auf das Finanzgeschehen Einfluss zu nehmen. Auf Antrag, Ablehnung, Einspruch, erneute Ablehnung erfolgte die Klage vor dem 5. Senat des Berliner Finanzgerichts, die gestern verhandelt wurde.

>>Erwarten Sie nicht, dass das Gericht über die Beteiligung Deutschlands am NATO-Einsatz in Jugoslawien eine Entscheidung fällt<<, stimmte der Senat die Kläger und Rechtsanwalt Ulrich Dost auf die zu erwartende Ablehnung des Antrages ein, >>unser Staatswesen würde zusammenbrechen, würden wir dem Begehren nachgeben<<. Selbst wenn die Richter den Intentionen des Klägers folgen könnten, wäre das Finanzgericht und ein Steuerverweigerungsverfahren nicht der geeignete Weg zur Durchsetzung politischer Entscheidungen.

Es würde den Staat und seine demokratische Grundordnung erschüttern, würden wir uns nicht gegen den Bruch des Völkerrechts und des Grundgesetzes zur Wehr setzen, argumentierten Harald und Cornelia Kampffmeyer. Wie sonst, wenn nicht über diesen Weg, besteht für den Bürger die Möglichkeit, auf Gesetzesverletzungen der Regierung zu reagieren? Sie bleiben dabei, ihre Gelder durften nicht für die Finanzierung der NATO-Attacken in Jugoslawien verwendet werden. Deshalb werden sie bis zum Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof gehen.